Lichter in der Nacht – die Titanic und das Geisterschiff (2)

von Susanne Störmer

(hier geht es zum 1. Teil)

Am 18. April 1912 abends erreichte die Carpathia mit den Überlebenden der Titanic den Hafen von New York. Das Interesse an ihrer Ankunft war gewaltig.

Ebenfalls am 18. April 1912 lief die Californian in den Hafen von Boston ein. Die Californian hatte London am 5. April verlassen. Ihr Kapitän war Stanley Lord aus Bolton. Vor einigen Jahren hatte Lord sich auch bei der White Star Line beworben, doch da die Reederei ihn nur als dienstjüngeren Offizier einstellen wollte, hatte Lord die angebotene Stelle nicht angenommen. Stattdessen hatte er Karriere bei der Leyland Line gemacht, die Frachtschiffe bereederte. Im April 1912 war er 34 Jahre alt und hatte bereits einige Fahrten als Kapitän gemacht.

Es gab bei ihrer Ankunft in Boston etwas Interesse an der Californian, da bekannt war, dass sie an der Unglücksstelle der Titanic gewesen war. Außerdem gab es Gerüchte, sie hätte Überlebende der Titanic an Bord, doch diese Hoffnung musste enttäuscht werden. Danach schien die Liegezeit in Boston Routine zu werden – wenn nicht einige Besatzungsmitglieder von missachteten Notsignalen in der Nacht zum 15. April 1912 geplaudert hätten. Eine Lokalzeitung brachte einen Bericht darüber, der verpuffte. Ernest Gill, als „Donkeyman“ auf der Musterrolle geführt, war der nächste, der seine Beobachtungen und Erinnerungen gegenüber einem Reporter zu Protokoll gab.

Zu der Zeit, in der der Bericht von Gill erschien, begann der Untersuchungsausschuss des US-Senats nach dem Schiff zu fahnden, das Boxhall in seiner Aussage so genau beschrieben hatte. Zuerst hatte man an den deutschen Dampfer Frankfurt gedacht, da dieser nach Aussage vom überlebenden Funker Bride sehr laute Funksignale gesendet hatte, was auf eine große Nähe schließen ließ, und – wie Bride ebenfalls betonte – niemals seine Position gab. Die Frankfurt allerdings war auf dem Weg nach Bremerhaven und damit außerhalb der Reichweite des US-Senats. Dennoch gab es Nachforschungen, wie ein Zeitungsbericht vom 22. April 1912 deutlich macht:

Bremen, 21. April. Wie Boesmanns Tel.-Bur. meldet, ist ihm von der Direktion des Norddeutschen Lloyd heute abend folgende Mitteilung zugegangen: Der zweite Marconitelegraphist des Dampfers „Titanic“, Bride, hat in seiner ersten Aussage den Dampfer „Frankfurt“ des Norddeutschen Lloyd beschuldigt, auf das ihm an erster Stelle zugegangene Hilfegesuch nicht reagiert zu haben. Auf diese uns allerdings von vornherein haltlos erschienene Beschuldigung haben wir uns veranlasst gesehen, uns sofort auf drahtlosem Wege mit der „Frankfurt“ in Verbindung zu setzen, von deren Kapitän uns soeben nachfolgendes drahtloses Telegramm zuging: „Dampfer ‚Frankfurt‘ auf das Hilfesignal sofort nordwärts gesteuert. Trafen um 10 Uhr 50 Minuten an der Unfallstelle ein. Die Distanz war 140 Meilen. Trafen an der Unfallstelle die Dampfer ‚Birma‘, ‚Virginian‘ und ‚Carpathia‘ (sic!) an. Gez. Hattorf.“ Danach beruhten also die betreffenden Aussagen des Telegraphisten Bride auf einer direkten Unwahrheit, ebenso wie die diese Aussagen betreffende Bestätigung des Börsenmaklers Taylor aus Philadelphia.
(Titanic Informations Center Deutschland e. V., Historische Zeitungen berichten, Der Navigator, Nr. 57, S. 47 f.)

Die Californian dagegen lag in einem Hafen in den USA, Funker und Kapitän sollten sowieso noch wegen der Eiswarnung an die Titanic vor den Untersuchungsausschuss geladen werden – da passte der Zeitungsbericht mit den Beobachtungen Gills wie die Faust aufs Auge.

Für Kapitän Lord, der zu den Berichten seiner Mannschaft hinsichtlich gesichteter Notraketen sagte: „Seeleute erzählen viel, wenn sie an Land sind“, schien die Aussage in Washington vor dem US-Untersuchungsausschuss reine Routine zu sein. Aber es gelang ihm nicht, den Verdacht, die Californian hätte die Notraketen der Titanic gesichtet und nicht darauf reagiert, aus dem Weg zu räumen. Damit richtete sich nun aller Fokus auf die Californian als das Schiff, dass die sinkende Titanic ihrem Schicksal überließ, und andere mögliche Kandidaten gerieten völlig aus dem Fokus oder aber Spuren wurden nicht weiter verfolgt. Man hatte ein Schiff, von dessen Besatzung einige Männer behaupteten, dass Raketen gesehen und nicht beachtet worden waren, und es gab einen Kapitän, dem es nicht gelang, diese Vorwürfe zu entkräften. Damit schnappte die Falle für Lord zu, und er sollte sich Zeit seines Lebens nicht mehr daraus befreien können.

Die Angaben Gills, die den Stein ins Rollen brachten, wurden auch in die Aufzeichnungen des US-Untersuchungsausschusses aufgenommen:

Ich bin 29 Jahre alt, wohne in Yorkshire und bin ledig. Es war meine erste Fahrt auf der Californian. Am Abend des 14. April war ich im Maschinenraum auf Wache von 20 Uhr bis Mitternacht. Um 23:56 Uhr ging ich an Deck. Die Sterne schienen hell. Es war sehr klar, und ich konnte sehr weit gucken. Die Schiffsmaschinen waren seit 22:30 Uhr gestoppt, und sie driftete durch Eisschollen.
Ich blickte über die Reling an steuerbord und sah die Lichter eines sehr großen Dampfers etwa zehn Seemeilen entfernt. Ich konnte die Lichter ihrer Breitseite sehen. Ich beobachtete sie für eine ganze Minute. Von der Brücke und vom Ausguck kann sie gar nicht übersehen worden sein!
Es war nun Mitternacht und ich ging in meine Kabine. Ich weckte meinen Kameraden, William Thomas. Er hörte, wie das Eis gegen das Schiff schlug und fragte: „Sind wir im Eis?“ Ich antwortete: „Ja, aber an steuerbord muss es frei sein, denn ich sah einen großen Dampfer mit voller Kraft fahren. Sie sah aus, als wäre sie ein großes Deutsches.“
Ich legte mich hin, aber ich konnte nicht schlafen. Nach einer halben Stunde stand ich wieder auf und wollte eine Zigarette rauchen. Wegen der Fracht konnte ich nicht zwischen den Decks rauchen, deswegen ging ich wieder nach draußen. Ich war ungefähr zehn Minuten an Deck gewesen, als ich eine weiße Rakete ungefähr zehn Seemeilen entfernt an steuerbord sah. Ich dachte, es wäre eine Sternschnuppe. Nach sieben oder acht Minuten sah ich ganz eindeutig eine zweite Rakete an der selben Stelle, und ich sagte zu mir: „Das muss ein Schiff in Seenot sein.“
Es war nicht meine Aufgabe, die Brücke oder den Ausguck darauf aufmerksam zu machen, aber sie können sie gar nicht übersehen haben. Ich legte mich direkt danach schlafen in der Erwartung, dass das Schiff den Raketen Beachtung schenken würde.
Ich weiß nichts mehr bis ich um 6:40 Uhr vom Chefingenieur geweckt wurde, der sagte: „Steh auf und leiste Hilfe. Die
Titanic ist gesunken.“ Ich rief aus und hüpfte aus meiner Koje. Ich ging an Deck und sah, dass das Schiff mit voller Kraft fuhr. Sie war aus dem Treibeis heraus, aber es waren viele Eisberge um uns herum.
Ich ging nach unten auf Wache und hörte den 2. und 4. Ingenieur sich unterhalten. Mr. J. C. Evans ist der Zweite und Mr. Wooten [sic! – tatsächliche Name Hooton] ist der Vierte. Der Zweite erzählte dem Vierten, dass der 3. Offizier gemeldet hatte, dass während seiner Wache Raketen gesichtet wurden. Da wusste ich, dass ich die
Titanic gesehen haben musste.
Der 2. Ingenieur ergänzte, dass der Kapitän vom Offiziersanwärter, dessen Name, glaube ich, Gibson ist, über die Raketen  informiert worden war. Der Kapitän hatte ihn angewiesen, das Schiff in Seenot anzumorsen. Mr. Stone, der 2. nautische Offizier, war zu der Zeit auf der Brücke, sagte Mr. Evans. Ich hörte, wie Mr. Evans sagte, dass mehr Lichter gezeigt und mehr Raketen abgeschossen worden waren. Dann ging, laut Mr. Evans, Mr. Gibson zum Kapitän und meldete weitere Raketen. Der Skipper befahl ihm, das Morsen so lange fortzusetzen, bis er eine Antwort bekam. Keine Antwort wurde erhalten.
Die nächste Bemerkung, die ich vom Zweiten hörte, war: „Warum zum Teufel haben sie nicht den Funker geweckt?“ Die ganze Besatzung des Dampfers hat sich untereinander über die Missachtung der Notraketen unterhalten. Ich drängte einige persönlich, mich bei meinen Protesten gegen den Kapitän zu unterstützen, aber sie weigerten sich, da sie fürchteten, entlassen zu werden.
Ich bin mir ganz sicher, dass die
Californian entgegen den Angaben unserer Offiziere weniger als 20 Seemeilen von der Titanic entfernt war. Ich hätte sie nicht sehen können, wenn sie mehr als 10 Seemeilen entfernt gewesen wäre, und ich konnte sie sehr deutlich erkennen.
Ich hege keine üblen Absichten gegenüber den Kapitän oder irgendeinem der Offiziere auf dem Schiff, und ich verliere eine profitable Position, indem ich diese Aussage mache. Ich bin angetrieben von dem Wunsch, dass kein Kapitän, der gegenüber einem Schiff in Seenot die Hilfeleistung verweigert oder vernachlässigt, in der Lage sein sollte, die Männer zum Schweigen zu bringen.
Gezeichnet Ernest Gill

Lords Aussage vor dem US-Senat stützte sich überwiegend aus Zitate aus dem Logbuch der Californian, in dem allerdings keine gesichteten Raketen vermerkt waren. Das wurde mit der Praxis erklärt, dass der Offizier der Wache auf der Brücke eine Kladde führt und diese Kladde vom Chief Officer einmal am Tag ins Logbuch übertragen wird. Wenn in der Kladde nichts von Raketen stand, dann konnten sie auch nicht im Logbuch erscheinen. Im Fall der Californian erweckte das allerdings den Eindruck, als wenn Lord etwas zu verbergen hatte.

Aber im Vergleich zu dem, was Lord in Großbritannien vor dem dortigen Untersuchungsausschuss erwartete, war der Auftritt vor dem US-Senat noch ein Kinderspiel. In London waren neben Lord, Funker Evans und Gill auch die Offiziere Stewart (Chief Officer), Stone (2. Offizier) und Groves (3. Offizier) sowie der Anwärter Gibson geladen.
Nach ihren Aussagen stellen sich die Ereignisse auf der Californian in der Nacht zum 15. April wie folgt dar:

Am Abend des 14. April 1912 sichtete die Californian drei Eisberge etwa fünf Seemeilen südlich von ihrem Kurs und warnte per Funk andere Schiffe. Die Californian bewegte sich auf 42° Nord mit Kurs auf Boston. Da man wusste, dass man auf ein Eisfeld zulief, war der Kapitän auf der Brücke. Gegen 22:20 Uhr sichtete man ein Eisfeld und mit den Befehlen „Hart steuerbord, volle Kraft zurück“ wurde die Californian für die Nacht abgestoppt. Man wollte das Eisfeld erst bei Tageslicht durchfahren. Die Maschinen blieben allerdings unter Dampf um für den Fall der Fälle schnell reagieren zu können.

Gegen 23 Uhr wurden die Lichter eines anderen Schiffes gesichtet, das sich aus dem Osten her näherte und auch auf Westkurs war. Kapitän Lord hielt dieses Schiff für einen Trampdampfer, also ein kleines Frachtschiff, das nicht im Liniendienst fuhr. „Something like ourselves“, also „ein Schiff wie wir auch“, war die Beschreibung. Lord sprach mit dem Funker, welche Schiffe er hören könne, und der antwortete: „Nur die Titanic, Sir.“ Also entschied Lord, die Titanic vor dem Eisfeld warnen zu lassen. Diese Warnung wurde von der Titanic bekanntermaßen rüde abgewiesen. Lord war sich allerdings sicher, dass das andere Schiff, dessen Lichter von der Californian aus gesehen wurden, auf gar keinen Fall die Titanic war, da die großen Passagierschiffe eine Masse an Licht abstrahlten – im Gegensatz zu den kaum beleuchteten Frachtern. Dennoch wurde ihm vorgehalten, dass er, wenn er die Titanic vor dem Eis warnen ließ, davon ausgegangen sein muss, dass das von ihm gesichtete Schiff die Titanic sei.

Der 3. Offizier Groves beobachtete das andere Schiff, und nach seiner Aussage war es ein Passagierschiff. Lord widersprach ihm zwar schon in jener Nacht, doch Groves blieb bei seiner Meinung. Er sah, dass es um 23:40 Uhr alle Lichter löschte. Vom Kapitän erhielt er die Anweisung, das andere Schiff mit der Morselampe zu kontakten. Diese Kontaktaufnahmen per Morselampe wurden auch in der folgenden Wache fortgesetzt und brachten alle das gleiche Ergebnis: Das andere Schiff reagierte nicht.

Um Mitternacht war Wachwechsel, und während der Wache des 2. Offiziers Stone wurden Raketen gesichtet, die vom anderen Schiff zu kommen schienen aber nicht so hoch aufstiegen wie normale Raketen – Stone hielt es für möglich, dass diese Raketen von einem weiteren Schiff abgefeuert wurden, das sich aber unter dem Horizont befand, so dass nur die Raketen ein Stück darüber hinaus stiegen. Kapitän Lord wurde laut Stone und Gibson regelmäßig informiert, hatte aber keine anderen Anweisungen als weiter zu morsen.

Um 2:40 Uhr Schiffszeit Californian war das andere Schiff dann verschwunden. Stone hatte beobachtet, dass das andere Schiff Fahrt aufnahm und langsam hinterm Horizont verschwand, weswegen er auf eine Frage Lord Merseys, ob das andere Schiff nicht in Seenot gewesen und gesunken sein könne, lapidar antwortete: „Ein sinkendes Schiff dampft nicht von Ihnen weg, my Lord.“

Als um 4 Uhr morgens Chief Officer Stewart Stone ablöste, bemerkte er ein Schiff im Süden, das laut Stone aber nicht das Schiff war, das er nachts beobachtet hatte. Um 5 Uhr morgens wurde Kapitän Lord geweckt und kam auf die Brücke. Mit seinem Chief Officer besprach er die nächsten Aktionen, bis dann der Chief Officer Lord fragte, ob sie nicht mal nach dem Schiff im Süden sehen sollten. Erst der Chief Officer machte Lord klar, dass nachts mehr als eine Rakete gesichtet worden sei, so dass Lord den Befehl gab: „Wecken Sie den Funker!“ Schnell fand Funker Evans heraus, dass die Titanic in der Nacht gesunken sei. Die Californian nahm Fahrt auf und Kurs auf die Notrufposition. Man durchquerte eine Barriere aus Eis, aber an der Notrufposition traf man nur die Mount Temple an. Östlich der Barriere war die Carpathia mit Rettungsarbeiten beschäftigt. Lord entschied sich, ein weiteres Mal durch die Eisbarriere zu fahren. Als er die Carpathia erreichte, waren die Rettungsarbeiten abgeschlossen und für die Californian blieb nur noch die traurige Aufgabe, nach möglichen Überlebenden im Wasser zu suchen. Man fand allerdings keine mehr, auch wenn der 3. Offizier Groves Jahre später behauptete, er hätte Überlebende auf einer Eisscholle gesehen, doch Lord habe die Lebewesen auf der Eisscholle als „Seehunde“ abgetan und sich nicht um sie gekümmert.

Ebenfalls in Sichtweite der Californian war am frühen Morgen der Frachter Almerian, ein Schiff der Leyland Line, das noch nicht mit Funk ausgestattet war. Dieses Schiff bahnte sich einen Weg durch das Eisfeld. Weitere Angaben zu Beobachtungen von dem Schiff sind nicht bekannt. Bis heute unbekannt ist die Identität des Schiffes, das Stewart um 4 Uhr morgens im Süden der Californian gesehen hat. Es hatte nach seiner Angabe einen gelben Schornstein und kann damit auf gar keinen Fall die Carpathia gewesen sein, deren Schornstein rot mit schwarzen Ringen war.

Nach Abschluss der Suchaktion und noch vor Erreichen Bostons forderte Lord den 2. Offizier Stone und den Anwärter Gibson auf, eidesstattliche Versicherungen über die von ihnen beobachteten Vorgängen in jener Nacht zu machen und ihm auszuhändigen. Zu diesem ungewöhnlichen Verhalten befragt, antwortete Lord, dass ihm sofort klar gewesen sei, dass es eine Untersuchung geben würde.

Lord Mersey gab währen der laufenden Verhandlung seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Californian das Schiff war, das von der sinkenden Titanic aus gesehen wurde. Deswegen hatte im Umkehrschluss auch die Californian die Titanic gesehen und nicht auf die Notraketen reagiert.

Die Wachhabenden auf der Californian hatten acht Raketen gesichtet – also legte der britische Untersuchungsausschuss fest, dass die Titanic acht Raketen abgefeuert hatte. Aussagen von Überlebenden der Titanic, die nahe legen, dass deutlich mehr als acht Raketen abgefeuert wurden, fanden keine Beachtung.

Die Stopp-Position der Californian lag außerhalb des möglichen Sichtbereichs und zudem östlich von der Notrufposition der Titanic – aber anstatt die Notrufposition der Titanic in Zweifel zu ziehen, wurde unterstellt, dass die Positionsangabe der Californian falsch war. Die Californian hatte die Raketen im Südosten gesehen, hätte sie, wenn ihre Position und die Notrufposition der Titanic richtig waren, allerdings im Südwesten sehen müssen. Diese Diskrepanz wurde als weitere Fehlangabe seitens der Californian gewertet, denn niemand sah einen Grund dafür, dass die Titanic eine falsche Notrufposition übermittelt hatte.

Besonders belastend für Lord waren die Aussage von Groves, Stone und Gibson. Groves behauptete, wie bereits geschrieben, das Schiff, das sie von der gestoppten Californian aus gesehen hatten, sei ein Passagierschiff gewesen und dieses Passagierschiff hätte um 23:40 Uhr die Lichter gelöscht. Dieser Eindruck könne, so Groves vor dem Untersuchungsausschuss, aber auch entstanden sein, wenn das Schiff eine drastische Kursänderung nach backbord gemacht hat.

Passagierschiff, 23:40 Uhr, Ruderkommando „hart steuerbord“ (was damals einer Kursänderung nach backbord entsprach) – drei Argumente, die dafür sprachen, dass die Californian in der Tat die Titanic gesehen hatte. Dass die anderen Zeugen, die das andere Schiff lange beobachtet hatten, davon ausgingen, dass das andere Schiff ein Frachter war, fand keinerlei Beachtung mehr. Ebenfalls nicht beachtet wurde, dass die Californian eine andere Schiffszeit haben musste als die Titanic, so dass die Parallelität der beobachteten Ereignisse nur eine scheinbare war, da zwischen den beiden Schiffen eine Zeitdifferenz von vermutlich 17 Minuten lag. 23:40 Uhr Californian-Zeit war damit 23:23 Uhr Titanic-Zeit. 23:40 Uhr Titanic-Zeit als Kollisionszeitpunkt war danach 23:57 Uhr Californian-Zeit, doch zu der Uhrzeit hatte das von Groves beobachtete Schiff schon seit 17 Minuten abgestoppt.

Gleichzeitig wurde aber nicht beachtet, dass Ernest Gill in seiner Aussage ganz andere Beobachtungen schildert als Groves, Stone und Gibson. Das Schiff von Gill ist um 23:56 Uhr noch in Fahrt, während Groves Schiff schon seit 23:40 Uhr abgestoppt hat. Diese Widersprüche in den Zeitangaben der Beobachtungen von einem Schiff aus haben aber auch niemanden interessiert. Sowohl die Aussage von Groves als auch die Aussage von Gill wurde zur Belastung der Californian herangezogen.

Lord kam dennoch mit einem blauen Augen davon, denn da Lord vor seiner Zeugenaussage nicht darüber aufgeklärt worden war, dass alles, was er sagte, auch gegen ihn verwendet werden könnte, konnte er nach britischem Recht nicht mehr für unterlassene Hilfeleistung verurteilt werden – darauf hätten damals Strafen wie z. B. vier Jahre Arbeitslager gestanden. Allerdings verlor Lord seine Stellung bei der Leyland Line. Und erst nach seiner Aussage wurde ihm klar, was die Stunde geschlagen hatte. Ihm war klar, dass er ein „armseliger Zeuge“ gewesen war. Er bemühte sich umgehend um eine Neuaufnahme seines Verfahrens, schaffte Aussagen heran, die belegen sollten, dass von der Mount Temple aus Notraketen der Titanic gesichtet und nicht beachtet wurden, aber niemand griff das Thema wieder auf. Lord fand eine neue Anstellung bei einer anderen Reederei und langsam schien Gras über die Sache zu wachsen.

Bereits am 4. Mai 1912 wurde in der Zeitschrift Die Woche der Bericht Am Grabe der Titanic veröffentlicht – Autor war Carl Herbert, 3. Offizier der Frankfurt. Er schilderte die Ereignisse des 15. April 1912 aus Sicht der Frankfurt:

Sonntag Abend. Einsam wandert der wachhabende Offizier auf der Kommandobrücke des NDL-Dampfers Frankfurt von einer Seite zur anderen, die Augen scharf nach vorn gerichtet, hinaus auf die endlose düstere Wasserwüste. Sind doch vor zwei Tagen von den deutschen Dampfern George Washington und President Lincoln drahtlose Meldungen von grossen Eisfeldern empfangen worden, von vielen Eisbergen, die an der Südspitze der Neufundlandbank nach Süden treiben. Wer kann es wissen, ob bei dem unerwartet frühen Erscheinen des Eises in diesem Jahr nicht sogar auf unserem Kurs plötzlich im Dunkel der Nacht die drohenden Formen der erstarrten Riesen vor unserem Bug auftauchen?
Die Verantwortung für das Schiff und seine 250 Menschen, das deutsche Pflichtgefühl, stählen die Aufmerksamkeit des Wachoffiziers, doch unbehindert bahnt sich der Dampfer seinen Weg durch die schwarzen Fluten und schiebt wuchtig die zu Schaum und Gischt zerstiebenden Seen beiseite. An dem dunklen Himmel schielt manchmal zwischen zerrissenen, langsam nach Süden segelnden Wolkenfetzen ein verlorenes Sternlein hindurch, und ein mässiger Nordwind, der seinen nordischen Ursprung durch empfindliche Kälte verrät, kräuselt die Wellen mit kleinen, perlenden Schaumkronen.
Acht Glasen – Mitternacht. Zitternd hallen die ehernen Schläge der Schiffsglocken durch die nächtliche, nur durch das Schäumen des Bugwassers und das Hämmern der Maschinen unterbrochene Stille. Die Wachen lösen sich ab. Frische, ausgeruhte Kräfte übernehmen für die nächsten vier Stunden die Leitung des Schiffes und der Maschinen sowie die Sorge für die Sicherheit und den Fortgang des Schiffes.
Indessen sitzt in der drahtlosen Station der Telegraphenbeamte Zippel mit dem Mikrophon am Ohr. Schon seit mehreren Stunden hört er die tönenden Funken eines in weiter Entfernung von Osten nahenden Dampfers und lauscht mit dem Interesse des Berufsmenschen den klaren, singenden Buchstaben, die zweifellos von hochmodernen Apparaten ausgehen müssen. Zahlreiche Privattelegramme sind durch den Äther nach Kap Race, der nächsten Landstation, geschwirrt, Bestellungen auf Hotelzimmer in New York, Grüsse an Angehörige in Amerika. Wohl ein halbes Dutzend anderer Dampfer hört an in einiger Entfernung arbeiten.
Nun verstummt der Lärm, es ist Pressezeit. Von Kap Cod auf dem amerikanischen Festland knattern langsam und deutlich die Striche und Punkte des Morsealphabets über den Ozean und verkünden den Passagierdampfern die neuesten Tagesereignisse und Börsennachrichten.
Nur jener Dampfer mit den klaren Tönen arbeitet weiter und tritt dann auch mit uns in Verbindung, in dem er gegen 12 Uhr  sein Unterscheidungszeichen „MGY“ und seine Position 41° 44′ Nord und 50° 24′ West angibt. Es ist der neue Dampfer
Titanic. Seiner Bitte um unsere Position soll entsprochen werden, und der Telegraphist holt sich von dem abgelösten Offizier den genauen Standort des Dampfers. Kaum hat er wieder MGY angerufen, als von dort in schnellen Zeichen eine unerwartete Antwort kommt:
„Oh, you are the nearest, please tell your captain to come to our assistance as quick as possible, we just run in an iceberg.“ („Oh, Sie sind am nächsten. Bitte sagen Sie Ihrem Kapitän, dass er so schnell wie möglich uns zu Hilfe kommen soll, wir sind gerade mit einem Eisberg zusammengestoßen.“)
Da stürzt der Telegraphist auf die Kommandobrücke und erstattet in hastigen Sätzen seine Meldung. Der Kapitän wird gerufen. Nach wenigen Minuten erscheint er auf der Brücke und übernimmt das Kommando. Hier gibt es kein Besinnen, hier sind Menschenleben in Gefahr. Die Unglücksstelle wird in die Karte eingetragen, der Kurs darauf zugesetzt, und nach kurzer Zeit biegt unser Dampfer nach Norden ab.
Mittlerweile ist der verunglückte Dampfer von uns verständigt worden, dass wir zu ihm eilen, dass wir jedoch bei einer Entfernung von 140 Meilen nicht vor 11 Uhr morgens bei ihm sein können. Inzwischen hat
Titanic das drahtlose Notsignal abgegeben: CQD (Come quick danger), dahinter MGY und ihren genauen Ort. Im Westen von uns naht der Dampfer Olympic, der noch nichts von dem Unfall ahnt und in Verbindung mit einem anderen Schiff steht.
Da machen wir ihn durch Anruf und „Stand by, MGY macht CQD“ („Passen Sie auf, Titanic macht Notsignale“) aufmerksam, und er quittiert sofort mit einem: „Oh, thanks“ („Oh, danke“). Vom Osten vernehmen wir, dass auch der deutsche Dampfer
Cincinetti die Notsignale gehört hat und im Anmarsch zur Unfallstelle ist. Ununterbrochen knattern indessen die erschütternden Notsignale der Titanic durch die Luft: CQD, -.- –.- -..
Nach einiger Zeit verstummt der Hilferuf vorübergehend, und um 1 Uhr 20 Minuten, genau 1 Stunde und 10 Minuten nach dem ersten CQD erfolgt die Mitteilung: „We have lowered the boats down and put the passengers in the boats.“ („Wir haben die Boote heruntergelassen, und unsere Passagiere steigen nun hinein.“)
Dann wieder CQD, bis nach 10 Minuten die Hilferufe verstummen, um nicht wiederzukehren. Was ist geschehen? Ist nur die drahtlose Station in Unordnung geraten, oder ist eine Katastrophe eingetreten? Ist das stolze, gewaltige Schiff in die Tiefe gesunken? Spielt sich vielleicht jetzt an der Unglücksstelle ein grässliches Ringen vieler Menschen mit dem Tod ab?
Bange, tief ins Herz schneidende Fragen! Kommen wir noch zur rechten Zeit oder zu spät? Viel zu träge schleicht unser Dampfer durch die schäumenden Wogen. Könnten wir ihm doch Flügel verleihen und helfen, retten! Von dem Hamburger Dampfer
Ypiranga erfahren wir, dass auch er zur Unglücksstelle abgehalten hat, trotz der viel größeren Entfernung. Auch der russische Dampfer Birma steuert auf die Position der Titanic zu. Er ist bedeutend näher als wir, nur 60 Meilen von der Untergangsstätte, und wird sicher vor uns ankommen.
Endlich weichen die Schatten der Nacht, und ein stahlblauer Himmel wölbt sich über der ziemlich ruhigen See. Im Osten taucht der feurige Sonnenball über dem scharfen Horizont auf. Durch astronomische Beobachtungen des Nordsterns und der Sonne fixieren wir unseren genauen Schiffsort und können sicher sein, die Unfallstelle nicht zu verfehlen. Unter unseren 150 Passagieren und der gesamten Besatzung greift eine erklärliche Aufregung Platz. In das menschliche Mitleid mit dem tragischen Geschick der
Titanic mischt sich eine bange Erwartung, ob es uns vergönnt sein wird, dem Tod seine Opfer zu entreißen. „Eile, mein Schiff, eile, es ist keine Zeit zu verlieren!“ Die Minuten werden zu Ewigkeiten. Gleichmäßig tönt das eherne Pochen der Maschinen, unermüdlich bahnt sich der Dampfer seinen Weg durch die plätschernden Wellen, eine breite, schäumende und brodelnde Gischtspur zurücklassend.
– Drei Rauchwolken am vorderen Horizont. – Eine leise Beruhigung, es sind schon Schiffe vor uns an der Stätte des Dramas eingetroffen, dann waren wir also doch nicht die nächsten. Endlich um 10 Uhr ein weißer Punkt am Horizont – ein Eisberg. Auf der Kommandobrücke stehen der Kapitän und sämtliche fünf Offiziere und lugen angestrengt mit scharfen Doppelgläsern über die See. Allmählich tauchen noch andere Eisberge über der scharfen Kimm auf. Endlich, um 10 Uhr 50 Minuten morgens stehen wir auf der Position der
Titanic um Mitternacht.
Nichts ist zu sehen, kein schwimmendes Wrackgut, keine Menschen, kein Boot. Nur Eisberge und im Norden lang gestreckte Eisfelder, so weit das Auge reicht. Inzwischen sind drahtlose Meldungen eingelaufen, dass die
Carpathia die meisten Boote gefunden hat, nur noch zwei Boote fehlen. Links voraus steuert ein Dampfer nach Südwesten, die Birma. Zur rechten ein großer Dampfer mit vier Masten südwärts gehend. Weit im Osten ein dritter großer Dampfer, ebenfalls südwärts ziehend. Nun wenden wir unseren Kurs nach Osten und halten auf die größten Eisberge zu. Wer weiß, ob dort nicht halberstarrte arme Überlebende der Rettung harren? Jetzt ziehen wir dicht an dem ersten der gewaltigen weißen Riesen vorbei. Wie ein Märchenschloss oder ein trutziges Fort ragen die schneeigen Mauern über der tiefblauen See hervor. In blendender Weiße, an den Abhängen in smaragdenem Grün erschillernd, treiben die kompakten Eismassen auf dem ruhigen Meer. Trotz angestrengtesten Auslugens ist keine Spur von Menschen zu erblicken, nur unzählige Seevögel schweben über dem Eis, und ihre gespenstischen Schatten huschen über den blendenden, glitzernden Schnee. Wart ihr gefiederten Segler der Lüfte die einzigen Augenzeugen der furchtbaren Katastrophe? Habt ihr den durchdringenden Todesschrei von Hunderten, Tausenden armer Menschen vernommen, als die schwarzen, gefräßigen Fluten über dem stolzen Schiff zusammenschlugen und ihre Opfer in die Tiefe von 3.800 Metern zogen?
Einer der Offiziere steigt nach oben in den vordersten Mast, hoffend, von dort mit dem scharfen Fernglas etwas erspähen zu können. Viele lose Eisschollen stellen sich unserem Dampfer in den Weg, prallen zeitweise polternd gegen die Stahlwand des Schiffes – weiter, weiter. Eine Zigarrenkiste, einige Holzstücke und ein Deckstuhl treiben an uns vorbei. Sind dies die ganzen Überreste der mächtigen
Titanic, oder gehören sie einem anderen Schiff? Wo sind die Menschen?
12 Uhr mittags; wir fahren ganz langsam an dem englischen Viermaster vorbei und wenden südöstlich, um die Eisgrenze abzusuchen. So weit das Auge reicht: Im Norden bis zum Horizont Eis. In der Ferne viele zerklüftete Eisberge in dem weißen ausgedehnten starren Feld. Ein Vergleich drängt sich auf, die Erinnerung an den Kamposanto, dem Friedhof in Genua, mit seiner Fülle an Marmorgrabsteinen. Ist dieses weiße Eisgebilde nicht auch wie ein Symbol der Grabesstätte armer Ertrunkener?
Eine empfindliche Kälte umströmt uns. Fröstelnd und zitternd hüllen sich die Passagiere, die vor 14 Tagen noch in den warmen Landstrichen von Mexiko, Kalifornien und Texas gewandelt, in die dicken Winterkleider. Unentwegt halten wir scharfen Ausguck nach allen Seiten, und eine derbe Enttäuschung beginnt in uns aufzukeimen, dass wir zu spät gekommen sind, dass ein grausames Geschick das unglückliche Schiff und seine armen Menschen in die Tiefe gezogen hat und es uns trotz der besten Hilfsbereitschaft bis jetzt nicht vergönnt war, dem Moloch des Meeres seine Opfer zu entreißen.
Wie vorsorglich hatten wir alles zur Übernahme von Überlebenden vorbereitet, um rasche Hilfe bringen zu können. Sämtliche Treppen sind klargemacht, Einrichtungen getroffen zur Übernahme erstarrter, hilfloser Menschen, Decken und Matratzen sind bereit, die Küche gerichtet zur schnellen Labung vieler Schiffbrüchiger. Soll all die Vorsorge vergeblich sein?
Weiter zieht unser Dampfer nach Südosten. Trotz anstrengendster Aufmerksamkeit können wir nicht die geringste Spur von Booten oder Menschen entdecken. Bis 2 Uhr 30 Minuten ziehen wir an dem Eis zur Linken vorbei. An 50 Eisberge zählen wir, die hier in der Meereseinsamkeit nach Süden treiben. Werden sie noch anderen Schiffen verderblich werden oder in dem warmen Wasser zerschmelzen? Das Eisfeld hat eine Ausdehnung von beinahe 60 Kilometer Länge.
Im Süden steigen zwei weitere Rauchwolken auf, nun sind wir also schon mit sechs Dampfern auf der Suche. Wenn nun noch Boote treiben, können sie in diesem Karree den Rettern nicht entgehen. Am Abend sind wir wieder auf unserem Kurs und steuern heimwärts, unsere Nachforschungen sind ergebnislos geblieben. Aber gottlob, die Boote sind alle in Sicherheit, wie die drahtlosen Meldungen berichten. Das ist der einzige Lichtblick in der allgemeinen Trauer, deren Anlass das einzige Gesprächsthema auf unserem Schiff bildet.
Ist es nicht eine Tücke des Schicksals, dass es dieses prächtige neue Schiff auf seiner ersten Reise vernichtet hat? Diesen schwimmenden Palast, an dem Tausende fleißiger Hände jahrelang Tag und Nacht gearbeitet? Warum musste der Hass der Elemente gerade diesem neuen Schiffskoloss mit seinen blühenden Menschenleben verderblich werden und ihn an der toten Masse eines Eisbergs zerschellen lassen? – Ungelöste Fragen!
(Sammlung Günter Bäbler)

Zu beachten ist hier, dass Herbert mit keinem Wort darauf eingeht, dass Funker Phillips von der Titanic den Funker der Frankfurt mit „You are a fool“ (also „Du bist ein Idiot“) beschimpft, was Bride in seiner Aussage in New York behauptet hatte und was seitdem eine der Titanic-Legenden wurde. Außerdem behauptete Bride, dass die Frankfurt niemals ihre Position übermittelte. Dem widersprach allerdings indirekt bereits 1912 der Funker der Mount Temple, als er während seiner Aussage vor dem britischen Untersuchungsausschuss unter anderem die von der Frankfurt an die Titanic gesendete Position zitierte. Und diese Position lag mehr als die fünf bis sechs Seemeilen von der sinkenden Titanic entfernt, in der das Geisterschiff gesehen wurde. 140 Seemeilen lagen laut dem Bericht des 3. Offiziers zwischen der Notrufposition und der Frankfurt; andere Schätzungen gehen von 135 Seemeilen aus. Auf jeden Fall war die Frankfurt nach dieser Schilderung viel zu weit weg, um von der Titanic aus gesehen worden zu sein. Dennoch sollte die Frankfurt mehr als 50 Jahre später ihr Comeback als Geisterschiff der Titanic erleben.

Die Mount Temple selbst war auch kurzzeitig in den Verdacht geraten, das Geisterschiff der Titanic gewesen zu sein, da auch von der Mount Temple Gerüchte kamen, man hätte Notraketen gesehen, aber der Kapitän hätte es vorgezogen, mitten in der Nacht nicht weiter durch das Eis zu fahren. Der Kapitän der Mount Temple wies diese Gerüchte zurück und es gelang ihm dadurch, sein Schiff zumindest damals von der Liste der Verdächtigen zu streichen.

Senator Smith erwähnte vor dem amerikanischen Untersuchungsausschuss, dass er Informationen über einen verlassenen Schoner in jenem Seegebiet hatte, aber Lord Mersey wies in einem anderen Zusammenhang darauf hin, warum das von der Titanic aus gesichtete andere Schiff, das laut Boxhall erst auf die sinkende Titanic zu fuhr und dann wieder davon dampfte, ohne Hilfe geleistet zu haben, kein Segelschiff gewesen sein konnte: In einer windstillen Nacht konnte ein Segelschiff sich nicht fortbewegen.

Außerdem würde ein verlassener Schoner keine Lichter zeigen, und ein Segelschiff, das mit Hilfsmotor unter Motorkraft fährt, hätte wiederum die Lichterführung eines Maschinenschiffes zeigen müssen (siehe Lichter in der Nacht (1), Navigator 1/13).

So blieb der Status von 1912 vorerst bestehen: Die Californian war das Schiff, das die Raketen der Titanic gesehen und nicht reagiert hatte. Und der Umkehrschluss, der daraus gezogen wurde, war: Die Californian war das Schiff, das von der Titanic aus in fünf bis sechs Seemeilen Entfernung gesehen wurde und statt zur Hilfe zu kommen nach den Beobachtungen Boxhalls einfach davon fuhr.

Aber das Thema war dennoch niemals vollständig vom Tisch. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts trat ein norwegischer Seemann mit der Geschichte des Robbenfängers Samson an, der in der Nacht zum 15. April in der Nähe der sinkenden Titanic war und die Notraketen für Signale der Küstenwache hielt. Also versuchte man, vor den vermeintlichen amerikanischen Kriegsschiffen zu flüchten. Ob dieser Geschichte damals Beachtung geschenkt wurde, ist unklar. Aber jedenfalls war sie fixiert worden und damit für Forscher verfügbar.

In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts kam dann ein deutscher Offizier namens Hoffmann, der in einer Fachzeitschrift von einer Fahrt auf dem Öltanker Niagara berichtete. Nach seinen Angaben war die Niagara in der Nacht zum 15. April 1912 auf dem Nordatlantik unterwegs. Man sah die Titanic, sah, wie sie Raketen abfeuerte und dachte, dort würde ein Fest an Bord gefeiert werden und setzte deswegen die eigene Fahrt einfach fort. Erst später erfuhr man, dass das vermeintliche Fest Notsignale der sinkenden Titanic gewesen sind. Auch der Verbreitungsgrad dieser Geschichte ist unklar. Zumindest blieb auch sie für die Nachwelt zugänglich.

Allerdings war das Rätsel des Schiffes, das von der sinkenden Titanic aus gesehen wurde und statt zu helfen davon fuhr, damals weniger im Fokus derjenigen, die sich zu jener Zeit für das Thema interessierten. Das änderte sich mit dem Erscheinen des Buches von Walter Lord, A Night to Remember, und dem folgenden gleichnamigen Film. Plötzlich war das Thema wieder bei einem ganz breiten Publikum im Fokus. Buch und Film stellen die Rolle der Californian und Kapitän Lords so dar, wie sie vom britischen Untersuchungsausschuss gesehen wurde. Kapitän Stanley Lord, damals schon lange im Ruhestand, sah seine Ehre angegriffen und suchte Unterstützung bei der Gewerkschaft, bei der er Mitglied war. Sekretär dieser Gewerkschaft war Leslie Harrison, und Harrison wurde zu einem unermüdlichen Kämpfer für Lords Sache auch über den Tod des Kapitäns hinaus. Aber wenn das von der Titanic aus gesehene Schiff nicht die Californian war, welches Schiff war es dann? Und von der anderen Seite aus gefragt: Welches Schiff und wessen Raketen hatte die Californian gesehen?

Nun wurde die Geschichte der Samson wieder ausgegraben. Das britische Fernsehen brachte in den 60er Jahren Sendungen zum Thema „Geisterschiff der Titanic“ und folgte den Behauptungen, dass einwandfrei erwiesen sei, die Samson sei das Schiff gewesen. Harrison publizierte diverse Bücher und versuchte, Lord und die Californian von aller Schuld reinzuwaschen. Den Abschusszeiten der Raketen wurde ganz große Beachtung geschenkt, noch lebende Überlebende wurden zu dem Thema befragt und die Aussagen von Leslie Harrison protokolliert – alles in dem Bestreben, die Californian ein für alle Mal von der Liste der Verdächtigen zu streichen. Außerdem strebte auch Harrison nun eine Neuaufnahme der Untersuchung zum Fall Californian, doch die Aussage blieb die Gleiche wie 1912: Solange keine neuen Beweise vorliegen, wird es keine Neuaufnahme geben! Somit konnte die Kontroverse nicht juristisch wirksam beendet werden und Kapitän Stanley Lord blieb im Fokus als der Kapitän, der Notsignale missachtet hatte und statt zur Hilfe zu eilen seelenruhig weiter schlief. Es gelang einfach nicht, die Aussagen der Offiziere und Besatzungsmitglieder auch außerhalb von Untersuchungsausschüssen wirkungsvoll zu widerlegen, dass von der Californian aus die Notraketen der Titanic gesehen wurden und nichts unternommen wurde.

Ebenfalls in den 60er Jahren trat Wilhelm Muller auf den Plan. Er veröffentlichte in einer belgischen Schifffahrtszeitschrift einen Bericht als Antwort auf ein Buch über die White Star Line. Muller war ein Deutscher, der nach Kanada ausgewandert war. Seine Geschichte wurde von D. E. Bristow in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgezeichnet. Demnach hat Muller 1914 den Funker getroffen, der im April 1912 auf der Frankfurt war. Und dieser Funker hat ihm bei diesem Treffen erzählt, dass die Titanic schon in Sichtweite war, als Phillips in Richtung Frankfurt „You are a fool“ morste, woraufhin der Kapitän der Frankfurt den Notruf für einen Scherz hielt und abgedreht ist anstatt der Titanic zu helfen.

Der Bericht vom 3. Offizier der Frankfurt zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild, doch vermutlich ist die Veröffentlichung vom Mai 1912 in einer deutschen Zeitschrift nicht sehr weit bekannt und sehr lange kaum verfügbar gewesen oder beachtet worden. D. E. Bristow jedoch verließ sich auf die Aussage Mullers und baute damit ihren Fall gegen die Frankfurt auf. Die Angabe vom Funker der Mount Temple, der gehört haben will, dass die Frankfurt ihre Position an die Titanic übermittelt hat und der damit ein Entlastungszeuge der Frankfurt ist, wischt sie mit der Argumentation vom Tisch, dass die Mount Temple selbst unter dem Verdacht stand, der Titanic näher als angegeben gewesen zu sein und deswegen der Frankfurt Schützenhilfe gegeben hat. Für sie war das Geisterschiff der Titanic die Frankfurt und Stanley Lord sowie die Californian sind damit unschuldig Verfolgte.

Doch ehe D. E. Bristow die Geschichte Mullers aufzeichnete, tobte in Großbritannien ein gewaltiger Kampf hinter den Kulissen. Leslie Reade, ein britischer Anwalt, hatte sich ebenfalls an das Thema Titanic/Californian gemacht. Auch er wollte ein Buch dazu publizieren, doch Leslie Harrison, der Reade anfangs wohl noch unterstützt und Zugang zu Quellen gewährt hatte, unterband die Publikation wirkungsvoll. Es wurde die Aussage Harrisons zu Reades Buch überliefert, dass es das Buch sei, das schon vor der Veröffentlichung vernichtet wurde. Allerdings war Harrisons Freude zu früh, denn 1993 erschien das Buch von Leslie Reade unter dem Titel „The Ship that Stood Still“ und ein weiteres Kapitel in der TitanicCalifornian-Geschichte wurde geschrieben.

Dafür konnte Leslie Harrison einen anderen Erfolg für sich verbuchen: Die Entdeckung des Wracks belegte, dass die Notrufposition der Titanic falsch gewesen sein musste. Nach Ansicht von Harrison war das ein neuer Beweis, der 1912 noch nicht vorlag – und dieser Ansicht wurde gefolgt. So kam es 1992 zu einer Neuaufnahme der Untersuchung der Rolle der Californian im Unglücksfall der Titanic durch das MAIB (Marine Accident Investigation Branch), das beim Verkehrsministerium angesiedelt ist.

Die Entdeckung des Wracks der Titanic durch eine franko-amerikanische Expedition sowie die damit im Zusammenhang stehenden Veröffentlichungen von Dr. Robert Ballard brachten neues Beweismaterial ans Tageslicht, wodurch eine Neubewertung des Verhaltens von Kapitän Lord in der Unglücksnacht im April 1912 erfolgen konnte. 1992 kam es dann zu einer der ungewöhnlichsten Untersuchungen der britischen Marinegeschichte, denn das Verfahren von 1912 wurde zu der 1912 gestellten Frage

What vessels had the opportunity of rendering assistance to the TITANIC and, if any, how was it that assistance did not reach the TITANIC before the ss CARPATHIA arrived?
[Welche Schiffe hatten die Möglichkeit, der TITANIC Hilfe zu leisten und wenn es welche gab, wie kam es, dass diese Hilfe die TITANIC nicht vor dem Eintreffen der CARPATHIA erreichte?]

und der bei der Untersuchung von 1912 herausgefunden Antwort:

The CALIFORNIAN. She could have reached the TITANIC if she had made the attempt when she saw the first rocket. She made no attempt.
[Die CALIFORNIAN. Sie hätte die TITANIC erreichen können, wenn sie nach dem Sichten der ersten Rakete einen Versuch unternommen hätte. Sie unternahm keinen Versuch.]

1992 noch mal neu durch den Marine Accident Investigation Branch (MAIB) aufgerollt, wobei die Aussagen von 1912 erneut bewertet und im Zusammenhang mit der Entdeckung des Wracks und der damit neu aufgetauchten Beweise gebracht wurden. Um den Betrieb des MAIB durch diesen ungewöhnlichen Fall nicht zu beeinträchtigen, wurde ein kürzlich in den Ruhestand getretener Kapitän als Inspektor eingesetzt. Dessen Ergebnisse deckten sich mit denen von 1912 – allerdings widersprach der Chief Inspector, Kapitän P. B. Marriott, diesen Bewertungen in einigen Punkten und kam damit zu einem anderen Ergebnis als der Untersuchungsausschuss von 1912 und der Inspektor von 1992:

  • Die Position der  nach der Kollision gestoppten Titanic war etwa 13 sm von der Notrufposition entfernt. Unter der Maßgabe, dass die von der Californian angegebene Position annähernd korrekt war, lagen die Schiffe damit außerhalb des normalerweise sichtbaren Horizonts und dementsprechend kann die Californian die Titanic nicht gesehen haben.
  • Der Inspektor kam zu dem Schluss, dass die Position der Californian falsch war und die Californian nur fünf Seemeilen von der Titanic entfernt gewesen sein kann. Der Chief Inspector hält dem entgegen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Californian seit ihrer letzten unzweifelhaft belegbaren Positionsermittlung innerhalb von drei Stunden um mehr als zehn Seemeilen nach Süden versetzt wurde. Denn die Strömung in jener Gegend ist, wenn sie überhaupt nach Süden weist, nicht stärker als 1,5 Knoten, so dass die maximale Versetzung 4,5 Seemeilen betragen haben kann – allerdings wäre auch die Titanic dieser Südströmung ausgesetzt gewesen, so dass der Abstand der Schiffe zueinander sich kaum verändert haben kann. Dementsprechend geht der Chief Inspector davon aus, dass die Schiffe 18 sm voneinander entfernt waren und damit außerhalb des jeweiligen sichtbaren Horizonts lagen.
  • Der Chief Inspector bringt zudem einen weiteren Punkt zur Beachtung: Wenn die Californian ab 23 Uhr ein anderes Schiff in ihrer Nähe gesehen hat und dieses andere Schiff die Titanic war, dann hätte auch die Titanic ab etwa 23 Uhr ein anderes Schiff sehen müssen. Die Lichter eines anderen Schiffes wurden von der Titanic aber erst einige Zeit nach der Kollision bemerkt, was für den Chief Inspector nahe legt, dass das von der Titanic aus gesichtete Schiff erst nach der Kollision näher gekommen sein muss. Dann kann es nicht die Californian gewesen sein, da sie nachweislich seit 22:20 Uhr ihrer Schiffszeit bis zum nächsten Morgen gestoppt lag und die Strömung, der sie ausgesetzt war, auch die Titanic beeinflusst hat. Wenn also die Titanic erst nach der Kollision ein anderes Schiff gesichtet hat, muss dieses andere Schiff auch erst nach der Kollision in den Sichtkreis gefahren sein. Damit war es nicht die Californian.

Allerdings kommt der Chief Inspector zu dem Schluss, dass von der Californian die Raketen der Titanic gesichtet wurden – und die Reaktion darauf nicht angemessen war. Damit gibt der Chief Inspector dem 2. Offizier Stone die Verantwortung für die Untätigkeit der Californian, denn als Kapitän Lord endlich erfuhr, dass die Titanic in Seenot war, war er sofort bereit, mit seinem Schiff mit voller Kraft durch das Eisfeld zu fahren, um Hilfe zu leisten. Damit entkräftet Lord allein durch seine schlüssigen Handlungen nach Erhalt des Notsignals den Vorwurf, dass er zu feige gewesen sei, mit seinem Schiff durch das Eis zu fahren. Kapitän Lord durchquert das Eisfeld sogar zwei Mal, das ein anderer Kapitän – Moore von der Mount Temple – nicht ein einziges Mal durchfährt, obwohl er weiß, dass Menschen in Not auf Hilfe warten.

Die Ergebnisse des Chief Inspectors der Untersuchung von 1992 zu den Vorgängen auf der Californian während der Wache vom 2. Offizier Stone in der Nacht zum 15. April 1912:

  • Der Kapitän hätte gerufen werden müssen und wenn er nicht sofort geantwortet hätte, hätte Mr. Stone ihm persönlich Meldung machen müssen. [Anm: Stone hatte lediglich den Anwärter zu Lord geschickt.]
  • Der Maschinenraum hätte sofort in  Bereitschaft gesetzt werden müssen, indem „Stand By Engines“ geläutet worden wäre.
  • Der Funker hätte gerufen werden müssen und
  • Kapitän Lord hätte, direkt nachdem er gerufen wurde, zur Brücke gehen müssen, verifizieren, dass der Maschinenraum bereit war und der Funker auf seinem Posten und dann in die Richtung fahren müssen, in der offensichtlich die Raketen abgefeuert wurden.

Zu den Handlungen vom 2. Offizier Stone schreibt der Chief Inspector abschließend:

One can readily imagine Mr. Stone on the Bridge, knowing in his heart what ought to be done (he is recorded as saying to Mr. Gibson that “ a ship does not fire rockets for nothing“) but trying to persuade himself that there was no real cause for alarm – and desperately wishing it was four o’clock and the Mate was there. I sympathise with Mr Stone, but it must be said that he was seriously at fault.“
[Man kann sich sehr gut Mr. Stone auf der Brücke vorstellen, wie er im tiefsten Innern weiß, was zu tun wäre (es wurde protokolliert, dass er zu Mr. Gibson sagte, dass „ein Schiff nicht für nichts und wieder nichts Raketen abfeuert“), aber sich zu überreden versucht, dass es keinen echten Grund für Alarmstimmung gibt – und sich verzweifelt wünscht, dass es vier Uhr ist und die Ablösung kommt. Ich sympathisiere mit Mr Stone, aber es muss gesagt werden, dass er sich schwer geirrt hat.]

Wie vom Chief Inspector erwartet, stellt dieses Ergebnis weder die Verteidiger von Kapitän Lord noch dessen Gegner zufrieden. Die Verteidiger von Kapitän Lord bringen aber schnell wieder die Samson ins Spiel. Und die gegnerische Seite bekommt Aufmerksamkeit durch die Publikation von „The Ship That Stood Still“ von Leslie Reade, also dem Buch, dessen Veröffentlichung zu Lebzeiten von Reade erfolgreich durch Leslie Harrison unterbunden wurde.

Reade bringt alle Argumente der Gegner von Kapitän Lord erneut vor. Allerdings tappt auch Reade in die Uhrzeitenfalle, indem er den Zeitunterschied zwischen den beiden Schiffen nicht weiter beachtet. Auch geht er in keiner Weise darauf ein, warum die Titanic vor der Kollision kein anderes Schiff gesichtet hat. Dafür allerdings nimmt er sich die „Entlastungsschiffe“ der Verteidiger Lords vor und da ganz besonders die Samson, die durch ihren 1. Offizier so schwer belastet wurde. Reade hat sich bemüht, die Tagebuchaufzeichnungen, auf denen sich immer wieder bezogen wird, im Original aufzutreiben, doch er findet sich nicht. Dafür stößt er auf den Bericht im norwegischen Original, der immer wieder zur Belastung der Samson herangezogen wird und auch als Artefakt in dem Buch „The Titanic Experience“ beigefügt ist. Dieser Bericht beginnt mit „After Christmas 1912“ – also nach Weihnachten 1912 – als Henrik Naess auf Arbeitssuche war und berichtet weiter, wie er sich im folgenden Frühjahr auf dem Robbenfänger Samson wieder findet. Nach der Logik der Jahre in der westlichen Zeitrechnung, der auch Norwegen unterliegt und unterlag, folgt auf Weihnachten 1912 das Frühjahr 1913. Dementsprechend müssen sich Naess Erlebnisse im Frühjahr 1913 zugetragen haben. Das Geheimnis, wie er im Frühjahr 1913 den Untergang der Titanic im April 1912 beobachtet haben will, hat er mit ins Grab genommen.

Reade unterstellt Naess allerdings einfach einen Fehler in der Jahreszahl und legt den Beginn der Ereignisse auf Weihnachten 1911. Damit könnte Naess dann im Frühjahr 1912 in der Nähe der Titanic gewesen sein, allerdings beinhaltet der Bericht von Naess einen weiteren schwachen Punkt: Naess schreibt, dass die Samson am Mittag des 14. April auf Höhe von Cape Hatteras illegal Robben gejagt hat und deswegen Angst vor der amerikanischen Küstenwache hatte. Cape Hatteras ist vor der Küste North Carolinas und rund 1200 sm von der Unglücksstelle der Titanic entfernt. Natürlich mögen die Männer der Samson vor der amerikanischen Küste Angst vor der Küstenwache gehabt haben – aber um von der Mittagsposition innerhalb von etwa 12 Stunden in die Nähe der sinkenden Titanic zu kommen, hätte die Samson eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 100 Knoten (= 185,2 km/h) auf diesen 1200 Seemeilen erreichen müssen. Die Samson war allerdings ein Segelschiff mit Hilfsmotor, und es ist fraglich, ob dieses Schiff mit dieser Antriebstechnik in der Lage war, diese Geschwindigkeit überhaupt und über die erforderliche Distanz zu erreichen.

Reade allerdings ging noch einen Schritt weiter und unterstellte, dass Naess sich nicht nur im Jahr, sondern auch im Ort geirrt hatte und er statt Cape Hatteras Cape Race meinte. Damit allerdings gibt es einen kritischen Punkt in der Samson-Geschichte, denn die Titanic sank deutlich außerhalb von Hoheitsgewässern, und Cape Race auf Neufundland liegt in Kanada und damit kanadischen Hoheitsgewässern. Dementsprechend ist es merkwürdig, dass die Leute auf der Samson Angst vor der amerikanischen Küstenwache hatten, denn weder in internationalen noch in kanadischen Gewässern ist die amerikanische Küstenwache zuständig. Reade ließ sich davon jedoch nicht irritieren und forschte weiter in Sachen Samson. Dabei entdeckte er Bücher über die Entrichtung von Hafengebühren auf Island – und demnach hat die Samson am 6. April 1912 Island verlassen und kehrte am 20. April 1912 nach Island zurück. Damit lassen sich die Bewegungen der Samson wie sie laut Naess stattgefunden haben, nachvollziehen:

Zwischen Island und der Untergangsstelle der Titanic liegen rund 3000 Seemeilen. Um innerhalb von acht Tagen (6. April – 14. April) von Island aus diese Gegend zu erreichen, hätte die Samson eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Knoten über diese acht Tage erreichen müssen. Ihre Hilfsmaschine schaffte sechs Knoten.

Für die Rückfahrt hatte sie dann fünf Tage Zeit, denn ihr Kapitän hat am 20. April 1912 in Island persönlich  Hafengebühren bezahlt und muss damit vor Ort gewesen sein. Auf der Rückfahrt muss sie damit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 Knoten erreicht haben. Zur Erinnerung: Ihre Hilfsmaschine schaffte sechs Knoten. Und 25 Knoten war eine Durchschnittsgeschwindigkeit, die nicht mal Titanic und Olympic erreichten. Außerdem: Wenn die Reise wie nachgerechnet stattgefunden hat, dann hätte die Samson nicht mal Zeit gehabt, um Robben zu jagen, also sie ist ihrem Geschäft nicht nachgegangen. Wie realistisch ist das?

Außerdem weist Reade noch auf einen Punkt hin: Wenn die Samson in der Nähe der Titanic war und wie von Naess berichtet wurde nach Norden geflüchtet ist, dann hätte die Californian, die im Norden der Titanic war, die Samson sehen müssen (und die Samson die Californian). Aber diese beiden Schiffe haben einander nicht gesehen. Also sind laut Reade Zweifel an der Geschichte der Samson angebracht – nicht nur wegen der ausgebliebenen Sichtung durch die Californian, sondern auch durch die Daten in den Hafenbüchern, den Ortsangaben in  Naess‘ Bericht sowie der Zeitangabe von Naess, die sich auf den Frühjahr 1913 beziehen muss, wenn man denn davon ausgeht, dass sein Bericht wie von ihm geschrieben nach Weihnachten 1912 beginnt.

Das Buch von Reade war starker Tobak für alle Verteidiger von Kapitän Lord. Und das Ergebnis des MAIB-Reports von 1992 war auch nicht wirklich hilfreich. Dennoch schien wieder Gras über die Sache zu wachsen, vielleicht auch, weil der bisher letzte große Titanic-Film dieses Thema komplett aussparte und gleichzeitig die Fronten sehr verhärtet waren und jeder, der klar Stellung zu einer Seite bezog, sofort unter Feuer von der anderen Seite geriet. Dabei ist die Geschichte des Schiffes, das in Sichtweite der Titanic die Notraketen nicht beachtete, das letzte Rätsel jener Nacht, das noch auf eine Lösung wartet. Das scheint in den letzten Jahren wieder deutlicher ins Bewusstsein der Menschen zu geraten, denn die Zahl der Publikationen zu diesem Thema hat zugenommen. Ein wortgewaltiger Verteidiger von Kapitän Lord ist dabei der irische Journalist Senan Molony, der sich sehr auf die im MAIB-Bericht aufgeworfenen Frage stützt, die bisher in der Diskussion kaum beachtet wurden:

– Warum hat die Californian schon ab 23 Uhr ein Schiff sehen können, wenn die Titanic ein anderes Schiff erst ab etwa 0:30 Uhr gesichtet hat?

Desweiteren stützt sich Molony auf die Uhrzeitenfrage, denn die Parallelität der von der Californian aus beobachteten Ereignisse mit dem Geschehen auf der Titanic kann aufgrund der unterschiedlichen Uhrzeiten niemals gegeben sein, so dass die Californian nicht die Titanic gesehen haben kann. (Der MAIB-Report von 1992 misst dem Zeitunterschied keine Bedeutung zu, da nach Einschätzung des Chief Inspectors alle Uhrzeiten nur geschätzte Uhrzeiten sind, die den Zeitunterschied marginal werden lassen.)

Außerdem geht Molony der Frage nach, wie viele Raketen eigentlich von der Titanic abgefeuert wurden. Von der Californian aus wurden acht gesehen – und Molony bringt viele Beweise dafür, dass von der Titanic aus mehr als die bisher angenommenen Raketen abgefeuert wurden. Dementsprechend hat die Californian nicht alle von der Titanic abgefeuerten Raketen gesehen.

Im Zuge seiner Recherchen ist Molony dann auch auf die merkwürdige Rolle der Mount Temple gestoßen und hat dieses Thema in einem eigenen Buch aufgearbeitet. Aus diesem Buch geht hervor, dass die Vorgänge auf der Mount Temple in jener Nacht kaum untersucht wurden – und dass Zeugen, die etwas zu von der Mount Temple aus beobachteten Raketen und Schiffslichtern erwähnt haben, nie offiziell befragt wurden. Die Mount Temple hat einen kanadischen Hafen angelaufen, und viele der Zeugen entstammten nicht dem anglo-amerikanischen Raum, so dass hier möglicherweise der Grund zu finden ist, warum potenziell wichtige Zeugenaussagen für immer verloren gingen oder nur rudimentär vorhanden sind. Molony findet in seiner Untersuchung der Mount Temple durchaus Inkonsistenzen in den Angaben von Kapitän Moore, die Raum für Spekulationen lassen und in Kombination mit den kaum bekannten Berichten von Menschen auf der Mount Temple ein merkwürdiges Licht auf die Mount Temple werfen. Fragwürdig an Moores Verhalten in der Nacht ist auf jeden Fall, dass er abstoppte, als er die Notrufposition der Titanic erreicht hatte und erkannte, dass die übermittelte Position falsch war. Weder ließ er die anderen Schiffe, die auf dem Weg zur Hilfeleistung waren, informieren, dass an der Notrufposition keine Titanic anzutreffen war, noch unternahm er einen Versuch, die Titanic oder ihre Rettungsboote zu finden. Er blieb abgestoppt liegen, weil es ihm zu riskant war, das Eisfeld zu durchqueren – das Eisfeld, durch das Kapitän Rostron mit der Carpathia mit Höchstgeschwindigkeit jagte und das Kapitän Lord von der Californian nur wenige Stunden später gleich zwei Mal durchquerte – ein Mal auf den Weg zur Notrufposition und das andere Mal auf den Weg zur Carpathia, um Hilfe bei den Rettungsmaßnahmen anzubieten. Moore und damit die Mount Temple hingegenblieb untätig! Offenbar beteiligte Moore sich auch nicht an der weiteren Suche nach Überlebenden, wie sie nach Ablaufen der Carpathia von der Californian und anderen am Unglücksort eintreffenden Schiffen vorgenommen wurde.

Ebenfalls am Unglücksort traf im Laufe des Vormittags der deutsche Dampfer Frankfurt ein, der durch die Angaben von William Muller Jahre später in Verdacht geriet, das Geisterschiff gewesen zu sein. Allerdings gibt es bedeutendes Beweismaterial, das die Frankfurt eindeutig entlastet und damit Müller Lügen straft:

Das Seewetteramt hat lange Jahre viele deutsche Schiffe mit Wetteraufzeichnungsgeräten ausgestattet. Damit sollten Beobachtungen und Erfahrungen von Seeleuten auf bestimmten Routen anderen Seeleuten zur Verfügung gestellt werden. Dafür mussten in regelmäßigen Abständen neben den Wetterdaten auch die Positionsangaben der Schiffe festgehalten werden. Daraus ist nicht nur ein weltweit einmaliges Klimaarchiv über die Weltmeere entstanden mit Zeitreihen, die in einer Vollständigkeit heute von unschätzbarem Wert für die Klimaforschung sind, sondern da die Frankfurt vom Seewetteramt ausgestattet war, ist auch ihre Reise von Galveston (Texas) nach Bremerhaven (Deutschland) im April 1912 nachvollziehbar. Und es wird klar, dass die Franfurt da war, wo sie immer behauptet hat gewesen zu sein – sie war rund 150 sm von der Notrufposition der Titanic entfernt und damit deutlich außerhalb des sichtbaren Horizont des Schiffes. Damit kann die Frankfurt nicht das Geisterschiff der Titanic gewesen sein. Aber die Geschichten von Muller haben es zumindest in die Bücher von Kludas über die deutsche Passagierschifffahrt und auch in ein Werk von Edwin Drechsel über den Norddeutschen Lloyd gebracht. Doch historisch ist diese Geschichte von Muller nicht belegbar, sondern sie wird wie bereits geschrieben durch belastbare historische Aufzeichnungen ganz eindeutig widerlegt.

Weitere Kandidaten aus Deutschland waren die Tankschiffe Niagara, Lindenfels, Trautenfels und Paula. Für alle Schiffe gibt es in den Aufzeichnungen des Seewetteramtes Entlastungsmaterial.
Die Lindenfels war auf dem Weg von Port Said nach Boston und befand sich weit südlich der Dampferroute von Deutschland/England in den Norden der USA, so dass die Lindenfels auf gar keinen Fall das Geisterschiff gewesen sein kann-.
Auch für Trautenfels und Paula wird anhand der meteorologischen Journale klar, dass sie auf gar keinen Fall in der Nacht zum 15. April 1912 in der Nähe der Titanic gewesen sein können, da sie das entsprechende Seegebiet bereits Stunden zuvor durchquert hatten.
Die Niagara, von der ein angebliches Besatzungsmitglied eine Selbstbelastung durchgeführt hat, war nach den Angaben im meteorologischen Journal im April 1912 im Pazifik unterwegs und von daher auf jeden Fall außerhalb des fraglichen Bereichs.

Allerdings gibt es eine Merkwürdigkeit: Die Funkkarte für den Nordatlantik im April 1912 weist nicht die Frankfurt als das Schiff aus, das die Route Galveston – Bremerhaven befahren sollte, sondern die Brandenburg. Offenbar wurde die Funkkarte lange Zeit vor den tatsächlichen Abfahrten erstellt, so dass es immer noch wieder Änderungen gegeben hat. Aber die Versuche anhand der meteorologischen Journale herauszufinden, wann im April 1912 die Brandenburg wohin gefahren ist, führten zu dem Mysterium, dass das Buch mit den Aufzeichnungen der Brandenburg für die fragliche Zeit nicht auffindbar ist. Das heißt: Es hat Aufzeichnungen gegeben, nach denen die Brandenburg auf dem Atlantik unterwegs war, aber dieses Buch ist im Archiv verschollen. – Zeitungsberichte zeigen allerdings auf, dass die Brandenburg im April 1912 auf Ostkurs war und am 23. April des Jahres Dover passierte. Damit war die Brandenburg am 14./15. April 1912 vermutlich westlich der Frankfurt und damit weit von der Titanic entfernt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Rätsel um das „Geisterschiff“ der Titanic bisher nicht eindeutig gelöst werden konnte. Senan Molony weist in seinem Werk „Titanic and the Mystery Ship“ darauf hin, dass aufgrund der von Titanic und Californian gesichteten Lichter davon auszugehen ist, dass zwei Schiffe zwischen Titanic und Californian lagen, da sowohl von der Titanic als auch von der Californian aus beim jeweils anderen Schiff das rote Backbordlicht gesehen wurde. Da ein Schiff aber immer nur ein rotes Licht hat und aufgrund der Leuchtwinkel der Laternen auszuschließen ist, dass ein Schiff, das zwischen zwei anderen liegt, beiden Schiffen das Backbordlicht zeigen kann, müssen Titanic und Californian unterschiedliche Schiffe beobachtet haben.

Einige Schiffe konnten aus dem Kreis der Verdächtigen entfernt werden, auch wenn sich ursprünglich  Besatzungsmitglieder der unterlassenen Hilfeleistung selbst bezichtigt haben. Zu den Schiffen, von denen man auf Basis historischer Dokumente sagen kann, dass sie nicht in der Nähe der Titanic und der Californian gewesen sein können, gehören Frankfurt, Lindenfels, Trautenfels, Paula, Niagara und Samson.
Vorübergehend auf der Liste war die Brandenburg. Hier haben Recherchen ergeben, dass dieses Schiff am 14./15. April 1912 auf Ostkurs war und am 23. April 1912 Dover passierte. Damit war sie am 23. April 1912 ungefähr eine halbe Tagesreise hinter der Frankfurt. Da die Schiffe nach Europa weiter südlich fuhren als die Schiffe nach Nordamerika und zudem die Distanz zwischen Frankfurt und Brandenburg am 23. April 1912 bekannt ist, muss auch die Brandenburg wieder von der Liste der potenziellen Geisterschiffe gestrichen werden. Sie war näher an der Frankfurt als an der Titanic, und sie war vermutlich am 14./15. April 1912 auch weiter westlich als die Frankfurt, also noch weiter von der Titanic entfernt als die Frankfurt.
Allerdings war keines der Schiffe jemals ein wirklich heißer Kandidat, so dass eines dieser Schiffe vielleicht das Schiff war, das von der Californian aus beobachtet wurde. Aber welches Schiff von der Titanic aus gesehen wurde, bleibt weiterhin offen.

Zur Californian ist zu sagen, dass die Entdeckung des Wracks deutlich zu ihrer Entlastung beigetragen hat. Der MAIB-Bericht von 1992 zeigt allerdings, dass selbst Nautiker an der Korrektheit der Position der Californian zweifeln, wobei es keinen objektiven Grund dafür gibt, der eine Versetzung der Californian so deutlich von ihrem Kurs hinweg gibt – und die Bewegungen am Morgen des 15. April sprechen dafür, dass die Californian ziemlich genau dort war, wo sie immer angegeben hat gewesen zu sein. Und dementsprechend war sie deutlich außerhalb der Sichtweite der Titanic.

Allerdings bleibt festzuhalten, dass die Aktionen auf der Californian in jener Nacht ausgesprochen unglücklich waren und der Wachoffizier nicht angemessen auf die Raketen reagiert hat. Fraglich ist jedoch, ob die Californian bei angemessener Reaktion auf die Raketen die Unglücksstelle vor dem Untergang der Titanic überhaupt hätte erreichen können. Aber wenn die Califiornian sich auf den Weg gemacht hätte, hätten sich die Überlebenden vielleicht auf zwei Schiffe verteilt und es wäre interessant gewesen, ob sich unterschiedliche Versionen über den Unfallhergang entwickelt hätten. Und es hätten möglicherweise noch mehr Menschen gerettet werden können, wenn die Californian den Unglücksort vor der Carpathia erreicht hätte. Aber auf der Californian entschied man sich für das Nichtstun – und zeigte damit das gleiche Verhalten, das auch die Mount Temple zeigte, als sie die Notrufposition erreicht hatte und keinen Havaristen und auch keine Boote vorfand. Im Gegensatz zur Californian ist jedoch das Verhalten der Mount Temple 1912 nicht kritisch hinterfragt worden, wodurch vermutlich wichtige Augenzeugenberichte niemals aufgenommen und bewertet wurden.

Vielleicht gelingt es zum Jahr 2012, dieses letzte Rätsel der Titanic zu lösen. Allerdings ist es fraglich, ob angesichts der verhärteten Fronten konstruktive Diskussionen überhaupt möglich sind. Ein spannendes Thema bleibt es dennoch.

Quellenangabe:
Die Untersuchungsausschüsse im Internet: www.titanicinquiry.org
Baak, Rolf-Werner (2007), Die Reise der Frankfurt, Titanic Post Nr. 61, S. 36 ff.
Baak, Rolf-Werner (2011), Der Nachzügler-Dampfer Lindenfels, Titanic Post Nr. 78, S. 7 ff.
Bristow, D. E. (1989), Titanic R.I.P. Can Dead Men Tell Tales?,Detroit: Harlo
Bristow, D. E. (1995), Titanic Sinking the Myths,Central California: Katco Literary Division
Herbert, Carl (1912), Am Grabe der Titanic, Die Woche Nr 18, 4. Mai 1912 (Sammlung Bäbler)
MAIB (1992), RMS Titaic. Reappraisal of Evidence Relating to SS Californian,London: HMSO
Molony, Senan (2006), Titanic and the Mystery Ship, Stroud: Tempus
Molony, Senan (2009), Titanic Scandal. The Trial of the Mount Temple, Stroud: Amberley
Reade, Leslie (1993), The Ship That Stood Still, Sparkford: Patrick Stephens Ltd
Titanic Informations Center Deutschland e. V., Historische Zeitungen berichten, Der Navigator, Nr. 57, S. 47 f.
E-Mails von Rolf-Werner Baak vom 03.04.2008 und 09.04.2008
Persönliches Gespräch mit Rolf-Werner Baak am 23.04.2008 in Hamburg
E-Mail von Oliver Heyn, 17.04.2012, zum Reiseverlauf der Brandenburg im April 1912

© Susanne Störmer, 2009-2010; aktualisiert: Susanne Störmer, April 2012

Erstveröffentlichung: Deutscher Titanic-Verein von 1997 e. V., Der Navigator, Nr. 2, 13. Jahrgang – Nr. 4, 13. Jahrgang (August 2009 – Februar 2010).