Mein Feld ist die Welt
Die Geschichte der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) – Teil 5
Das Rennen um das Blaue Band war mit den mit massiven Staatshilfen gebauten Cunard-Schwestern Lusitania und Mauretania vorerst entschieden. Es war mit der aktuell verfügbaren Antriebstechnologie einfach nicht mehr wirtschaftlich, noch schnellere Schiffe in Fahrt zu bringen [2]. Doch inzwischen gab es ein neues Konzept, das die Maximierung des Komforts in den Mittelpunkt stellte, und da gab es so schnell keine Grenzen, sondern noch sehr viel Potenzial. Potenzial, das die Hapag zuerst mit der P-Klasse Ende des 19. Jahrhunderts genutzt hatte. Die White Star Line folgte mit ihren „Big Four“ – und die Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) reagierte darauf mit der Amerika und der Kaiserin Auguste Viktoria. Doch auf Lusitania und Mauretania war eine Antwort erforderlich. Zuerst hatte die HAPAG ein 30.000 BRT-Schiff ins Auge gefasst – bei Harland & Wolff sollte es gebaut werden, die Baunummer war 391. Nach Bekanntwerden der Pläne der White Star Line, zwei Riesendampfer bei Harland & Wolff bauen zu lassen, wurde die Bauplanung der HAPAG modifiziert – Harland & Wolff sollte nun einen 44.000 BRT Dreischrauben-Dampfer für die Hamburger bauen, doch dieser Bau wurde storniert. Offizielle Begründung war die Wirtschaftskrise von 1907. Allerdings hatte sich die Konkurrenzsituation auf dem Nordatlantik mit der Entscheidung der White Star Line, den Expressdienst von Liverpool nach Southampton zu verlegen und Cherbourg anzulaufen, entscheidend verändert! Bisher hatten sowohl die HAPAG als auch der Norddeutsche Lloyd weder die Cunard Line noch die White Star Line als echte Konkurrenten gesehen, da der Abfahrtshafen Liverpool das Fahrtgebiet der deutschen Reedereien nicht tangierte. Mit Bedienung der Route Southampton – Cherbourg – Queenstown – New York durch die White Star Line ab Juni 1907 änderte sich aber die Lage; es war ein direkter Angriff auf die deutschen Reedereien. Ob Ballin nun das neue Schiff nicht auf der Stammwerft eines direkten Konkurrenten bauen lassen wollte oder ob durch die Routenverlagerung der White Star Line die Verpflichtung von Harland & Wolff, keinen Dampfer für einen direkten Konkurrenten der White Star Line zu bauen, griff, ist bisher weder erforscht noch diskutiert worden. Doch natürlich benötigte die HAPAG trotz der Stornierung bei Harland & Wolff neue Dampfer, um im Wettbewerb nicht zurückzufallen. Da kam es wie gerufen, dass die deutschen Werften massiv aufgeholt hatten und nun auch in Hamburg in der Lage waren, große Ozeandampfer zu bauen.
1909 sicherte sich die Vulcan-Werft den Auftrag, den ersten Riesendampfer für die HAPAG zu bauen. Die Werft sah sich Herausforderungen gegenüber, die sicherlich auch für andere Werften, die die neuen Giganten anderer Reedereien bauen wollten und sollten, galten. Immerhin gab es damals noch keine Computer, sämtliche Berechnungen für Festigkeit und Stabilität mussten mehr oder weniger per Hand ermittelt werden. Die verfügbaren Berechnungen in Deutschland gingen damals nur bis 30.000 BRT – beim Neubau der HAPAG wurden die Grenzen so weit verschoben, dass am Ende ein Schiff von 50.000 BRT stand. Kiellegung war am 18. Juni 1910. Liefertermin war Frühjahr 1913. Und die Hapag schrieb dann noch gleich zwei weitere Aufträge für vergleichbare Schiffe (50.000 BRT, vier Schrauben, Turbinenantrieb, ca. 4000 Passagiere, ca. 1000 Mann Besatzung, Übergabetermine Frühjahr 1914 und Frühjahr 1915) aus; diese Aufträge konnte sich Blohm & Voss sichern.
Ballin auf dem Höhepunkt seiner Karriere
Am 23. Mai 1912, etwas mehr als einen Monat nach dem Untergang der Titanic, lief die Imperator [1] in Hamburg vom Stapel. Taufpate war Kaiser Wilhelm II. Allerdings lag der Untergang der Titanic über diesem Ereignis, denn es gab besorgte Stimmen, die diese neuen Riesendampfer für zu groß und nicht mehr beherrschbar hielten. Doch der Bau war nicht mehr aufzuhalten und ein Jahr später, am 23. Mai 1913, war Kaiser Wilhelm II Ehrengast bei den offiziellen Probefahrten des nun größten Schiffes der Welt. Und das war die Imperator der HAPAG oder, wie sie sich damals auch nannte, der Hamburg-Amerika-Linie.
Am 3. April 1913 war bereits das zweite Schiff der Baureihe getauft worden – die Vaterland. Doch statt wie allgemein erwartet und angenommen war nicht der Kaiser der Taufpate, sondern der bayerische Kronprinz Rupprecht. Da der Kaiser der Zeremonie fernblieb, war der bayerische Thronfolger die ranghöchste anwesende Persönlichkeit bei einem weltweit beachteten Ereignis. Das sorgte für Entspannung im Verhältnis zwischen Bayern und Preußen.
Am 10. Juni 1913 begann die Jungfernfahrt der Imperator in Cuxhaven und führte über Southampton und Cherbourg nach New York. Es war ein Schiff der Superlative: 52.117 BRT und damit erstes Schiff der Welt über 50.000 BRT, 277 Meter lang, knapp 30 Meter breit, drei Schornsteine. Angetrieben von vier Turbinen konnte sie eine Reisegeschwindigkeit von 23 Knoten und eine Höchstgeschwindigkeit von 24 Knoten erreichen. 1.180 Mann Besatzung waren für das Schiff und die maximal 4.248 Passagiere zuständig. Noch niemals zuvor hatte ein Schiff so viele Passagiere an Bord nehmen können: 908 in der 1. Klasse, 606 in der 2. Klasse, 962 in der 3. Klasse und 1.772 in der 4. Klasse [3].
Mit der Aufteilung der Schiffsklasse, die auch als „Zwischendeck“ bekannt geworden war, in 3. und 4. Klasse beschritt die HAPAG neue Wege. Die 4. Klasse bot auch – im Gegensatz zu vielen anderen Schiffen, wo noch eine Unterbringung in Massenschlafsälen in der 3. Klasse die Regel war – eine Unterbringung in 2- oder 4-Bett-Kabinen. Ergänzend dazu stellte die Reederei Bettzeug, Essplatz, Geschirr und Waschräume zur Verfügung. Wer als Auswanderer etwas mehr Komfort wollte, der konnte die 3. Klasse buchen, die u. a. eine Bücherei für ihre Passagiere bot. Noch luxuriöser waren dementsprechend die 2. und natürlich die 1. Klasse ausgestattet – besonders in der 1. Klasse fehlte es an nichts, was der verwöhnte Reisende erwarten konnte, also z. B. ein Ritz-Carlton-Restaurant und ein Schwimmbad.
Mit zwei weiteren Riesendampfern im Bau bei Blohm & Voß in Hamburg, die beide die Imperator nochmals wieder übertreffen würden, hatte die HAPAG den Grundstein gelegt, um in den nächsten Jahren auf der so wichtigen wie prestigeträchtigen Transatlantikroute eine bedeutende Rolle zu spielen. Natürlich gab es auch Kritik, die, so beklagt Arnold Kludas in seinem Werk über die Geschichte der deutschen Passagierschifffahrt 1850 – 1990, nicht immer fair war. Ein von Kludas erwähntes Beispiel ist die Galionsfigur, die am Bug der Imperator angebracht wurde: Ein riesiger Bronzeadler hielt die im Mittelpunkt eines Strahlenkranzes befindliche Weltkugel in seinen Fängen. Nach Kludas ist es ebenso abwegig, diese Skulptur als Ausdruck deutschen Chauvinismus zu deuten, wie zu behaupten, dass die Skulptur nur angebracht wurde, damit die Imperator von der Länge her nicht durch die Aquitania der Cunard Line übertroffen werden konnte. Der zweite Punkt lässt sich sehr leicht widerlegen: Die Länge eines Schiffes wird nur am Rumpf gemessen und nicht über darüber herausragende Teile wie Galionsfiguren oder Flaggstöcken [4]
Doch das Glück war der Imperator nicht unbedingt hold. Während der dritten Liegezeit in New York brach ein Feuer im Proviantraum aus, bei dessen Bekämpfung der 2. Offizier ums Leben kam. Und die Imperator erwarb sich beim Reisepublikum den Spitznamen „Limperator“, weil sie schnell krängte. Sie war stark topplastig und die Heizer hatten Probleme, den erforderlichen Dampfdruck zu halten. Beide Probleme wurden durch einen Werftaufenthalt ab November 1913 angegangen: Die Schornsteine wurden um drei Meter gekürzt und aus den oberen Decks wurde alles schwere Inventar entfernt und durch leichteres ersetzt. Die Heizprobleme wurden durch den Einbau einer Zusatzölfeuerung gelöst. So konnte die Seetüchtigkeit der Imperator erhöht werden. Und der umstrittene Bugadler fiel nach dem Umbau einem starken atlantischen Sturm zum Opfer.
Bald danach bekam die Imperator „Gesellschaft“ auf der Nordatlantikroute: Am 14. Mai 1914 legte die Vaterland in Cuxhaven zu ihrer Jungfernfahrt ab, die sie über Southampton und Cherbourg nach New York führte. Mit ihren 54.282 BRT ist die Vaterland das bis heute (2017) größte Passagierschiff, das unter deutscher Flagge gefahren ist. Die Vaterland war eine verbesserte Version der Imperator. Nicht nur rund 2000 BRT größer, sondern auch mit einem neuartigen Innenkonzept: Die Ingenieure von Blohm & Voss hatten die Kesselschächte und Schornsteinrohre nicht mehr wie bisher üblich mittschiffs angeordnet, sondern getrennt an backbord und steuerbord nach oben geführt und erst auf dem Promenadendeck im Schornstein vereint. Das schuf für die Innenarchitekten völlig neue gestalterische Möglichkeiten und sorgte auch für eine verbesserte Luftzirkulation auf den Passagierdecks.
Der 1. Weltkrieg
Am 20. Juni 1914 sahen Zehntausende den Stapellauf der Bismarck in Hamburg. Auch der Kaiser war wieder zugegen, Taufpatin war Hannah von Bismarck. Ballin war fast am Ziel, ein weltumspannendes Liniennetz mit der Zentrale in Hamburg aufzubauen, deren Flaggschiffe die drei größten Dampfer der Welt waren. Doch nur acht Tage nach dem Stapellauf in Hamburg wurden Erzherzog Franz-Ferdinand, Kronprinz der k.u.k.-Monarchie, und seine Frau in Sarajewo bei einem Attentat erschossen. Die darauf folgende Juli-Krise führte so gut wie ungebremst in einen Weltkrieg. Am 31. Juli 1914 entschied Albert Ballin, die ausverkaufte Abfahrt der Imperator zu verschieben, und am 1. August 1914 befand sich das Deutsche Reich im Krieg mit Russland, bald darauf auch mit Frankreich und Großbritannien. Die britische Seeblockade schnitt das Deutsche Reich vom Überseehandel ab. Damit war auch das Geschäft der Reedereien vorerst beendet und Schiffe mussten aufgelegt werden. Schiffe, die sich bei Kriegsausbruch noch auf See befanden, wurden aufgefordert, neutrale Häfen anzulaufen – doch wenn die neutralen Länder in den Krieg auf Seiten der Entente eintraten, wurden diese Schiffe dort direkt beschlagnahmt. Dieser Krieg, der länger dauerte, als generell erwartet wurde, sorgte auch dafür, dass die geplante erste echte Weltreise, die nach Eröffnung des Panama-Kanals möglich gewesen wäre, ersatzlos gestrichen wurde. Bisher fehlte allen Weltreisen immer die Verbindung vom Atlantik zum Pazifik oder umgekehrt. Der Prospekt für Weltreisen 1915 der HAPAG war im Mai 1914 erschienen und sah vor, dass die Cleveland und die Cincinnati im Abstand von 14 Tagen ab Hamburg auf ihre jeweils fünfmonatige Weltreise starteten. Bei Kriegsausbruch befand sich die Cleveland in Hamburg und die Cincinnati war auf See auf dem Weg nach Boston, das sie auch wohlbehalten erreichte – und dort blieb sie dann und wartete mitsamt ihrer Besatzung auf das Ende des Krieges. Weltreisen machte erstmal niemand mehr. 1922 war es dann die Laconia der Cunard Line, die als erstes Passagierschiff eine vollständige Weltumrundung hinlegte.
Albert Ballin blieb auch während der Kriegsjahre nicht untätig, sondern arbeitete unter anderem an Plänen für den Wiederaufbau der HAPAG nach dem Krieg unter seiner Führung. Allerdings war Ballins Gesundheit angegriffen, und der Krieg hatte sein Lebenswerk zerstört. Dann brach die Revolution aus, die am 5. November 1918 Hamburg erreichte, als Arbeiter- und Soldatenräte die Macht übernahmen und unter anderem das HAPAG-Verwaltungsgebäude teilweise besetzten. Am 8. November 1918 drohten die Räte, Ballin zu verhaften. Er ging nach Hause, wo seine Frau ihm von anonymen Drohanrufen berichtete. Ballin, dessen höchster Schulabschluss ein Volksschulabschluss war, war von diesen Drohungen tief getroffen. Sein angegriffener Gesundheitszustand erforderte mittlerweile die Einnahme von Tabletten. An diesem Tag brach Ballin bald nach Einnahme ohnmächtig zusammen. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Am 9. Mai 1918 dankte Kaiser Wilhelm II ab, und Albert Ballin, der Reeder des Kaisers, starb in einem Hamburger Krankenhaus an einem aufgebrochenen Darmgeschwür, das zu einem Herzversagen geführt hatte.
Das endgültige Ende der HAPAG wurde mit dem Friedensvertrag besiegelt, der u. a. die Auslieferung der gesamten deutschen Tonnage an Überseedampfern festlegte, darunter auch die drei größten Passagierschiffe der Welt, die Imperator, die Vaterland und die Bismarck. Letztere befand sich noch im Bau und musste vor Ablieferung fertig gestellt werden.
Neuaufbau unter neuer Führung
Nach den stabilen politischen Jahren spätestens seit der Reichsgründung 1871 war nach der Abdankung des Kaisers, der Ausrufung der Republik und dem Friedensvertrag von Versailles das politische Umfeld in Deutschland schwierig. Die HAPAG hatte ihre komplette Flotte verloren – und ihren genialen Kopf, der der Passagierschifffahrt und dem Wettbewerb viele neue Impulse gegeben hatte. Nachfolger wurde bereits im Dezember 1918 Wilhelm Cuno, der 1922/23 als Parteiloser sogar kurze Zeit Reichskanzler werden sollte. Cuno betrieb den Wiederaufbau der HAPAG nach Plänen, die bereits Albert Ballin allerdings ohne Kenntnisse des Versailler Vertrages skizziert hatte. Den Reedereibetrieb wieder aufnehmen konnte die HAPAG, indem sie eine Kooperation mit dem amerikanischen Harriman-Konzern einging. Harriman gründete dafür die United American Lines. Allerdings versuchte auch die britische Konkurrenz aus Vorkriegsjahren in Deutschland Fuß zu fassen und begann Liniendienste ab Hamburg und Bremen/Bremerhaven nach New York anzubieten. Zuerst in Hamburg aktiv war die Cunard Line, später folgte auch die White Star Line. Weder Cunard noch White Star versuchten den Dienst in Form einer Kooperation mit den ortsansässigen Reedereien aufzubauen. Einen anderen Weg verfolgten Alfred Holt & Co sowie Elleman & Bucknall, die dem Norddeutschen Lloyd und der HAPAG das Angebot machten, die Interessen dieser englischen Reedereien in Bremen und Hamburg für den von diesen Häfen aus neu eröffneten Ostasiendiensten zu vertreten – im Gegenzug dafür konnten die beiden deutschen Reedereien jederzeit wieder in den Dienst einsteigen, was diese auch ziemlich schnell taten.
1926 zogen sich Cunard und die White Star Line wieder aus dem Deutschland-Geschäft zurück; sie hatten sich gegen die alten Platzhirsche ohne Verbündete nicht durchsetzen können. Sowohl die HAPAG als auch der alte Rivale Norddeutscher Lloyd hatten mittlerweile wieder ihre alte starke Rolle in der Heimat eingenommen. Ein Grund lag in dem Neubauprogramm, das nach dem Verlust der alten Flotte zwingend erfolgen musste. Daraus ergab sich für die deutschen Reedereien letztendlich ein Vorteil gegenüber den alten Konkurrenten aus Großbritannien, denn die Neubauten passten besser in die Nachkriegszeit als die Dampfer aus der Vorkriegszeit, die die Deutschen an die Siegermächte hatten abgeben müssen. Der 1. Weltkrieg hatte große gesellschaftliche Veränderungen ausgelöst, die sich eben auch in den Wünschen, Anforderungen und Möglichkeiten von Reisenden widerspiegelte. Albert Ballin hatte bereits 1917 erkannt, dass nach dem Krieg völlig veränderte Bedingungen herrschen würden. Und so hatte er als Flaggschifftyp einen Schiffstyp gefordert, der diese Bedingungen antizipierte und wirtschaftlich zu betreiben war. Es sollten vier Schiffe des Typs gebaut werden, und am 16. Dezember 1922 wurde das erste Schiff dieser Klasse auf den Namen Albert Ballin getauft. Das Schiff hatte 20.851 BRT und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 16 Knoten. Es gab drei Passagierklassen auf dem Schiff – in der III. Klasse war Behaglichkeit groß geschrieben. Dahinter stand noch Ballins Überlegung, dass Reisende aus Deutschland durch den Krieg so verarmt waren, dass sie, wenn sie noch reisen konnten oder wollten, in einer niedrigeren Klasse als vor dem Krieg reisen mussten. In der II. Klasse wurde Komfort angeboten und in der I. Klasse war natürlich Luxus vorgesehen. Als besonderes Ausstattungsmerkmal waren Schlingertanks eingebaut worden, die dazu führten, dass die Schiffe der Ballin-Klasse den Ruf erlangten, „Schiffe ohne Seekrankheit“ zu sein. Weitere Schiffe der Ballin-Klasse waren die Deutschland (1924), Hamburg (1926) und New York (1927).
Große Auswirkungen auf das transatlantische Passagiergeschäft hatte die Einwanderungsbeschränkung in den USA ab 1921. Das veränderte die Art der Reisenden in der günstigsten Klasse von Einwanderern hin zu Touristen, die deutlich höhere Ansprüche stellten. Dem trug die HAPAG durch einen Umbau der Schiffe der Ballin-Klasse im Winter 1926/27 Rechnung. Danach war die III. Klasse für Touristen eingeführt. Gleichzeitig zog es Auswanderer in ein neues Land, nämlich Kanada, so dass die HAPAG Halifax mit als Routenziel aufnahm.
1926 war es dann auch so weit, dass die HAPAG die eigentlich auf 20 Jahre ausgelegte Kooperation mit Harriman auflösen konnte und wieder vollumfänglich eigenständig war. Beinahe hätte man diese Eigenständigkeit für eine Kooperation mit dem großen Rivalen aus Bremen, dem Norddeutschen Lloyd geopfert, doch die anfänglich vielversprechenden Gespräche gerieten ins Stocken und wurden ergebnislos beendet. Die Hamburger holten die gerade erst fusionierten Deutsche-Austral/Kosmos-Linien und Hugo Stinnes Linien unter ihre Flagge und stiegen damit 1927 mit einer Tonnage von 800.000 BRT erneut zur größten Reederei der Welt auf.
Der Norddeutsche Lloyd stellte Ende der 20er Jahre mit der Bremen (51.656 BRT, 29 Knoten) und der Europa (49.746 BRT, 27,6 Knoten) [5] echte Schnelldampfer in Dienst, die beide auch das Blaue Band des Nordatlantiks gewannen. Die Bremen löste dabei 1929 die Mauretania ab, die seit 1909 die Rekordhalterin für die schnellste Überfahrt gewesen war. Die HAPAG musste darauf reagieren – die Motorschiffe St. Louis und Milwaukee waren Neubauten, die als 16-Knoten-Schiffe geplant waren und sicherlich keine Konkurrenz zu den Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd darstellten. Aber die Ballin-Klasse, die immer noch die Flaggschiffe der HAPAG auf dem Nordatlantik darstellte, musste dringend eine höhere Geschwindigkeit erzielen, und so wurden im Winterhalbjahr 1929/30 die vier Schiffe dieses Typs umgebaut. Danach erreichten sie eine Geschwindigkeit von 19 Knoten, und die Hamburg war eines der ersten Passagierschiffe mit einem Kino an Bord. Allerdings begann am 24. Oktober 1929 eine globale Wirtschaftskrise mit einem dramatischen Kurssturz an der New Yorker Börse, die direkt in die „Great Depression“ führte und ihre Talsohle erst 1932 erreichte. Natürlich wirkte sich das auch auf die Schifffahrt aus.
Wiederaufnahme der Kreuzfahrten
Doch vor der Weltwirtschaftskrise stand noch die Wiederaufnahme der Kreuzfahrten. Die vor dem 1. Weltkrieg bei Kreuzfahrten führende HAPAG ließ sich bis zum 18. Dezember 1926 Zeit, ehe sie wieder in dieses Geschäft einstieg. Es war ihr wichtiger gewesen, zuerst einen stabilen Liniendienst auf der Transatlantikroute anzubieten. Denn auch wenn die HAPAG wieder wie vor dem Krieg Liniendienste in alle Welt unterhielt: Der Nordamerikadienst nach New York war die prestigeträchtigste Route überhaupt und für die Wirtschaft von großer Bedeutung, da es zu Schiffen keine Alternative gab!
Am 6. Januar 1927 startete die Resolute ab New York auf eine 138tägige Weltreise und vollendete damit das, was der 1. Weltkrieg für Cleveland und Cincinnati 1915 verhindert hatte. Die Kreuzfahrten waren sofort ein voller Erfolg, und so wurde das Programm direkt um Nordlandfahrten und in den Folgejahren um Mittelmeerfahrten und weitere Zielgebiete erweitert. Die HAPAG erwarb sogar ein Schiff extra für die Kreuzfahrten, die in Oceana umbenannte Neptunia aus Italien, die bereits als Peer Gynt einem Kreuzfahrtpublikum bekannt geworden war.
Erweitert wurde das Kreuzfahrtangebot um Studienreisen, die einen üblicherweise zweiwöchigen Aufenthalt an einem Ort vorsahen und die An- und Abreise mit einem günstigen Touristenticket auf einem Schiff im Liniendienst erfolgte.
Union mit dem Norddeutschen Lloyd
Die Weltwirtschaftskrise, die sich massiv auf die Schifffahrt auswirkte, führte dazu, dass die HAPAG und der Norddeutsche Lloyd eine Kooperation vereinbarten, die am 20./22. März 1930 in Hamburg und Bremen gezeichnet und am 25. März 1930 publik wurde. Getrieben wurde die Zusammenarbeit der beiden alten Rivalen durch die Banken, die wegen der hohen Verschuldungen der Reedereien in den Aufsichtsräten stark vertreten waren. Für den Vollzug gesorgt hatten die beiden Generaldirektoren Wilhelm Cuno (HAPAG) und Carl Joachim Stimming (Norddeutscher Lloyd). Dieser Zusammenschluss galt als Sensation. Er beinhaltete einen echten Gemeinschaftsbetrieb, aufeinander abgestimmte Fahrpläne, Einsatz von Schiffen in den Fahrgebieten, für die sie am besten geeignet sind, möglichst einheitliches Schiffsmaterial auf einer Linie, gemeinsamer Fahrkartenverkauf, gemeinsame Werbemaßnahmen und gegenseitige Unterstützung. Eigenständig blieben die beiden Reedereien bei der Bewirtschaftung ihrer Schiffe.
Was auf dem Papier gut klang, war in der Praxis nicht unumstritten. Schon bald kam es zu Vertragsverletzungen. Streit gab es auch wegen dem Vorschlag von Ernst Glässel (Norddeutscher Lloyd), der die Weltwirtschaftskrise dazu nutzen wollte, veraltete Tonnage zu verschrotten und mit staatlicher Hilfe durch Neubauten zu ersetzen. Die Neubauten sollten Arbeit für die Werften bringen und so die Arbeitslosigkeit mindern. Vorgesehen war dieses Bauprogramm bis 1935. Doch der Vorschlag konnte sich nicht durchsetzen, wohl auch deswegen, weil viele der zu ersetzenden Schiffe des Norddeutschen Lloyd auf Initiative von Glässel angeschafft worden waren, so dass durchaus der Eindruck entstehen konnte, dass jemand mit staatlicher Hilfe seine Fehler korrigieren wollte. Glässel war auch derjenige, der schon vor dem Zusammenschluss beständig versucht hatte, Verkehr und damit auch Ladung von Hamburg nach Bremen zu verlagern – und nach der Union arbeitete er unermüdlich weiter in diese Richtung. Er wurde sogar zum Generaldirektor des Lloyd, als Stimming, einer der wichtigsten Befürworter der Union, 1931 überraschend starb. Doch mit Glässel an der Spitze des Lloyd war die Union in ernsthafter Gefahr. Allerdings hatte sich die wirtschaftliche Situation besonders des Lloyd dramatisch verschärft. Sowohl die HAPAG als auch der Lloyd benötigten Staatshilfen, die ihnen in Form eines Überbrückungskredits gewährt wurden. Glässel wurde man im August 1932 auch los: Er ging mit einer Abfindung in Höhe von 300.000 RM und einer Gehaltszahlung in Höhe von 135.000 RM, die ihm nach seinem noch 18 Monate laufendes Arbeitsvertrags zustand [6]. Doch das Reich forderte mehr Sicherheiten und setzte einen Vertreter des Reiches ein, der die Geschäftspolitik der beiden Reedereien zu überwachen hatte. Damit war der Staat mit an Bord. Außerdem wurde das Aktienkapital beider Reedereien herabgesetzt und ein Bankenkonsortium prolongierte die Kredite. Allerdings waren beide Reedereien nun nur noch in dem von den Banken abgesteckten Rahmen handlungsfähig – und die Reichsregierung bestand darauf, dass ein gemeinsamer Aufsichtsrat gewählt wurde. Die Forderung wurde am 28./29. August erfüllt.
Die Wirtschaftskrise ließ sich aber nicht so einfach abschütteln. Immer mehr Schiffe wurden aufgelegt und damit immer mehr Menschen arbeitslos. Problematisch für die HAPAG war auch das Nordamerika-Geschäft. Zwar fuhr die Ballin-Klasse durchgängig durch die Krisenjahre, doch die Schiffe fuhren Verluste ein. Dagegen waren die beiden modernen Schnelldampfer des Lloyd, die Bremen und die Europa, für die reduzierte Anzahl an Reisenden deutlich attraktiver, und es waren zwei der wenigen Schiffe, die in diesen Jahren noch schwarze Zahlen schrieben. Mangels Alternativen (es gab noch keine fahrplanmäßigen Transatlantikflüge) und angesichts der Bedeutung der Verbindung zwischen Europa und den USA musste der Transatlantikdienst mit Schiffen aufrechterhalten werden. Immerhin gab es Indikationen, dass sich die Weltwirtschaft zu erholen begann. Und Ende 1932 startete dann doch ein Abwrackprogramm, bei dem die HAPAG 15 Dampfer mit insgesamt 98.000 BRT gegen eine Abwrackprämie verschrotten ließ.
Unter dem Hakenkreuz
Wilhelm Cuno starb am 3. Januar 1933. Sein Nachfolger als Generaldirektor der HAPAG wurde Marius Böger. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und festigte sehr schnell seine Macht. Der Hamburger Bürgermeister Krogmann (NSDAP) veröffentlichte bereits am 24. März 1933 eine Denkschrift, die eine Entflechtung und Sanierung der beiden großen deutschen Reedereien, HAPAG und Norddeutscher Lloyd, forderte. Ins gleiche Horn hatte kurz zuvor der 1932 geschasste Ernst Glässer gestoßen, der eine Auflösung der Union befürwortete und Einzelreedereien für jedes Fahrtgebiet vorschlug. Bereits im September 1933 wurde Marius Böger als Vorstandsvorsitzender durch Max Oboussier ersetzt. Auch beim Norddeutschen Lloyd gab es weitere personelle Veränderungen in den Vorständen, und so wurden Gegner der Union verdrängt. Im November 1933 gab es den ersten gemeinsamen Fahrplan, in dem HAPAG-Schiffe neben Cuxhaven auch Bremerhaven anliefen und die Berlin des Norddeutschen Lloyd aus dem damals hamburgischen Cuxhaven startete. Der Nordatlantik-Dienst wurde nun aus dem gemeinsamen Unternehmen „Nordatlantik-Gemeinschaft“ innerhalb der Hapag-Lloyd Union heraus betrieben.
Die HAPAG war – wie auch der Norddeutsche Lloyd – weiterhin hochverschuldet, und so stand 1934 ganz im Zeichen der Sanierung. Getrieben wurde diese zuerst durch den Reichsverkehrsminister von Eltz, der den Staatsrat John T. Essberger zum Treuhänder der Reichsregierung einsetzte. John T. Essberger war ein Hamburger Tankreeder und Nationalsozialist und setzte die von der Reichsregierung für richtig gehaltenen Maßnahmen konsequent um, egal, ob es den Vorständen und Aufsichtsräten gefiel. Für die Hapag-Lloyd Union bedeutete es eine Verkleinerung des Geschäfts: Die Dienste nach der Ostküste Südamerikas, nach Afrika und ins östliche Mittelmeer wurden ausgegliedert und auch die Beteiligungen an Hamburger und Bremer Reedereien der europäischen Fahrt mussten abgegeben werden. Auf den Generalversammlungen der Hapag-Lloyd Union mussten dann weitere Sanierungsmaßnahmen nach Vorgaben der Reichsregierung beschlossen werden: Zusammenlegung des Aktienkapitals im Verhältnis 5:1, wodurch 85 Millionen Reichsmark Schulden getilgt wurden. Weitere 70 Millionen Reichsmark Schulden wurden durch eine Kapitalerhöhung in dieser Höhe getilgt, da der Hauptgläubiger, das Deutsche Reich, seine Forderungen mit Stammaktien bezahlt bekam. Allerdings führte das dazu, dass erstmals in der Geschichte der HAPAG (und auch des Norddeutschen Lloyd) die Aktienmehrheit im Staatsbesitz war. Und Schuldenfrei war die HAPAG ebenfalls nicht – es verblieb eine Restschuld von 64 Millionen Reichsmark.
Mit dem Treuhänder Essberger wurden die Verantwortlichen der HAPAG nicht warm. Zu allem Überfluss musste der Vorstandsvorsitzende der HAPAG, Max Oboussier, Ende 1934 wegen des Vorwurfs von illegalen Devisengeschäften zurücktreten. Er nahm sich bald darauf das Leben. Nachfolger von Oboussier wurde am 11. April 1935 Dr. Walter Hoffmann. Zu dem Zeitpunkt war bereits ein neuer, auf 15 Jahre angelegter Betriebsgemeinschaftsvertrag zwischen der HAPAG und dem Norddeutschen Lloyd abgeschlossen – nicht betroffen davon war der Nordatlantikdienst, der bereits gemeinschaftlich betrieben wurde.
Am 1. Oktober 1935 gab die HAPAG die Umbenennung der Albert Ballin in Hansa bekannt. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda hatte diese Namensänderung gefordert, denn Albert Ballin war jüdischer Abstammung. Es sind keine Proteste dagegen überliefert.
Große Sorgen gab es bei der Reederei auch wegen der Judenpolitik der Reichsregierung. Man befürchtete, dass internationale Reisende deutsche Schiffe meiden könnten. Zwar scheinen die Passagierzahlen auf den ersten Blick dafür zu sprechen, doch kamen Mitte der 30er Jahre verstärkt neue Schiffe in Fahrt, so z. B. die Normandie (Frankreich), die Queen Mary (Großbritannien), die Rex (Italien) oder auch die Manhattan und Washington (beide USA), die für das Reisepublikum attraktiver waren als die bereits bekannten deutschen Schiffe. Trotz des hohen Schuldenstands musste die HAPAG also tätig werden, und auch das Reichsverkehrsministerium forderte schriftliche Eingaben als Grundlage für ein mögliches staatliches Förderprogramm in der transatlantischen Passagierschifffahrt. Noch immer gab es keine Alternative zu den Schiffen, besonders nicht, nachdem durch das Unglück des Luftschiffes Hindenburg am 6. Mai 1937 die transatlantische Luftschifffahrt ein Ende fand, noch ehe sie richtig etabliert war. Befördert werden mussten nicht nur Passagiere, sondern auch Post und Fracht. Die HAPAG schlug eine Trennung von Passagier- und Frachtgeschäft vor. Das Frachtgeschäft war rentabel, das Passagiergeschäft nicht, so dass das Frachtgeschäft das Passagiergeschäft teilweise subventionieren konnte – den Rest musste das Reich tragen.
Das Reichsverkehrsministerium reagierte positiv auf die Vorlage, die Neubauten von drei Passagierschiffen und vier Frachtern vorsah. Die erste Kiellegung fand am 29. Oktober 1938 bei Blohm & Voss statt; die Baunummer 523 sollte mal als Vaterland der HAPAG in Fahrt kommen. Ein Schiff von 41.000 BRT und mit einer geplanten Reisegeschwindigkeit von 23,5 Knoten. Allerdings sollte dieses Schiff nicht über den Stapellauf am 24. August 1940 hinauskommen – der Rumpf wurde danach aufgelegt. Am 24. Juli 1943 brannte er nach einem Bombentreffer aus, und das Wrack wurde 1948 in Hamburg verschrottet.
Neben dem Nordatlantikdienst war die HAPAG – nach dem Unionsvertrag dann gemeinsam mit dem Norddeutschen Lloyd – auch in anderen Fahrtgebieten tätig, so auch nach Westindien. Dieses Fahrtgebiet wurde vom Spanischen Bürgerkrieg beeinflusst, doch abgesehen davon war man in Hamburg mit der Entwicklung dieses Dienstes zufrieden – bis dann der Ausbruch des 2. Weltkriegs die deutsche Passagierschifffahrt nach Westindien für immer beendete.
Ebenfalls im Liniendienst angesteuert wurde die Westküste Nord- und Südamerikas. Auch für diesen Dienst waren spezielle Schiffe im Einsatz, die auf die Anforderungen des Fahrtgebietes abgestimmt waren. Im Jahresbericht 1936 der HAPAG heißt es über den Dienst zur Westküste Nordamerikas: „Unsere führende Position in dieser Fahrt konnten wir sehr gut behaupten.“ [7] Und auch in Fahrtrichtung Westküste Südamerikas war die HAPAG gut im Geschäft. So gut sogar, dass man – wie einst unter Albert Ballin – wieder daran ging, für jeden Dienst ein eigenes Flaggschiff bauen zu lassen. War es unter Ballin die Tirpitz gewesen, wurde es nun die Patria, die ab 1938 als Flaggschiff der Westküstenfahrt unterwegs war.
Ein spezielles Kapitel der deutschen Passagierschifffahrt ist die Beförderung von jüdischen Auswanderern nach Hitlers Machtergreifung. Mit jedem Jahr nahm der Auswanderungsdruck zu, und jüdische Organisationen fragten auch bei der HAPAG nach Schiffen für Extrafahrten an. Im Frühjahr 1939 konnte die HAPAG die St. Louis für eine Sonderfahrt mit jüdischen Auswanderern nach Kuba zur Verfügung stellen – es wurde eine Irrfahrt, die internationales Aufsehen erregte und an deren Ende die jüdischen Auswanderer von Belgien, Holland, Frankreich und Großbritannien aufgenommen wurden [8].
Kreuzfahrten in den 30er Jahren
Ein Geschäftsfeld, das von der Weltwirtschaftskrise kaum berührt wurde, war erstaunlicherweise die Kreuzfahrt. Die Zahl der angebotenen Fahrten stieg sogar. Ziele waren dabei die Ostsee, Norwegen, das Mittelmeer und Westindien (Karibik). Weltreisen wurden auch angeboten. Und ebenfalls mit aufgenommen ins Angebot wurden die atlantischen Inseln und Fahrten rund um Großbritannien. Problematisch wurden nach der Machtübernahme der Nazis die Devisen, denn man durfte nicht unbeschränkt Geld mit ins Ausland nehmen und die bereits bestehenden Einschränkungen wurden noch weiter verschärft. Und die Nationalsozialisten stiegen mit der Deutschen Arbeitsfront sogar selbst ins Kreuzfahrtgeschäft ein. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war die Nachfolgeorganisation der aufgelösten Gewerkschaften, die am 27. November 1933 ihre Unterorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) ins Leben rief. Diese Organisation wurde innerhalb kürzester Zeit zum größten Urlaubsveranstalter der Welt, und ins Repertoire gehörten auch Kreuzfahrten. Von der HAPAG wurden 1934 die Oceana und die St. Louis für KdF-Kreuzfahrten gechartert. 1938 wurde die Oceana von der KdF gekauft. Die am 24. März 1939 von der KdF in Dienst gestellte Robert Ley, die zusammen mit der älteren Wilhelm Gustloff laut Propagandaaussage die Bremen und Europa des deutschen Arbeiters werden sollte, wurde von der HAPAG bereedert, d. h. die HAPAG stellte die Besatzung und übernahm auch die Wartung des Schiffes [9].
Der zweite Weltkrieg
Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg mit dem Angriff des Deutschen Reichs auf Polen. Doch zuvor schon gab es starke Anzeichen, dass ein Krieg drohte, und so hatten seit dem 24. August 1939 keine britischen oder französischen Schiffe mehr deutsche Häfen angelaufen – deutsche Schiffe jedoch versahen ihren Liniendienst unverdrossen weiter, bis am 25. August 1939 dann auch Anweisungen an die deutsche Schiffe ergingen, die auf einen nahenden Kriegszustand hindeuteten. Am 30. August 1939 um 18:33 Uhr legte die Bremen in New York ab; es war die letzte Abfahrt eines deutschen Schnelldampfers aus New York [10].
1940 begannen Überlegungen, wie es nach dem Krieg weitergehen könnte – der Kooperationsvertrag mit dem Norddeutschen Lloyd, der 1935 auf fünf Jahre abgeschlossen worden war, lief aus. Und es trat ein neuer Mitspieler auf: Philipp Reemtsma, Zigarettenfabrikant aus Hamburg, wollte in die Schifffahrt einsteigen. Forderungen von Reemtsma waren die Umwandlung der Reedereien in Personengesellschaften und die Ausgründung der Nordatlantikdienste der beiden Reedereien in eine eigene Gesellschaft. Im September 1941 wurde Reemtsma dann Mehrheitsaktionär bei der HAPAG und beim Norddeutschen Lloyd; die Umwandlung in Personengesellschaften wurde bis auf die Zeit nach dem Krieg zurückgestellt. Und zusammen mit dieser Aktienübernahme wurde rückwirkend zum 1. Januar 1941 die neue Reederei für die Nordatlantikdienste der HAPAG und des Norddeutschen Lloyd gegründet. Reemtsma hatte kein Interesse an der Passagierschifffahrt, und so wurde vom Reich die „Deutsche Nordatlantik-Linie Hamburg/Bremen GmbH“ ins Leben gerufen – Hauptsitz der Reederei war in Bremen. Die HAPAG brachte die New York, Hamburg, Deutschland, Hansa und St. Louis sowie den unfertigen Bau Vaterland in die neue Reederei ein, der Norddeutsche Lloyd die Europa und die Berlin [11]. Doch diese neue Gesellschaft, die neben dem Nordatlantikdienst auch die Kreuzfahrten ab New York von HAPAG und dem Norddeutschen Lloyd übernommen hätte, kam nie in Fahrt. Denn mit Kriegsende mussten wie schon 1918 alle noch existierenden Überseeschiffe abgeliefert werden und die Deutsche Nordatlantik-Linie verschwand vom Markt, ohne dort jemals aufgetreten zu sein.
Ein weiterer Neuaufbau und Fusion mit dem Norddeutschen Lloyd
Bis 1951 gab es Beschränkungen durch die Alliierten für die deutschen Reedereien, die Überseeschifffahrt unmöglich machten. Außerdem waren 1941 durch die Reprivatisierung die Karten neu gemischt worden, doch 1945 bereits stieg Reemtsma wieder aus und verkaufte seine HAPAG-Aktien. Der Vorstand, der die HAPAG wieder aufbauen sollte, bestand aus Henning von Maibohm und Werner Traber. Ebenfalls wurde die Vereinbarung von 1941, die zur Gründung der Deutschen Nordatlantik-Linie geführt hatte, rückgängig gemacht. Das war eine klare Entscheidung gegen die Passagierschifffahrt, auch wenn es zu der Zeit nicht absehbar war, dass die Flugzeuge den Schiffen innerhalb eines Vierteljahrhunderts den Rang ablaufen würden. Wie nach dem 1. Weltkrieg waren es internationale Reedereien, die den internationalen Passagierverkehr aus deutschen Häfen wieder aufnahmen. Die HAPAG zeigte keine Neigung, wieder in den nordatlantischen Passagierdienst einzusteigen, obwohl es seit der Gründung 1847 bis zum 2. Weltkrieg deren wichtigstes Geschäftsfeld gewesen war. Und es stecke immer noch Potenzial darin. 1955 operierten sechs Passagierlinien mit 13 Schiffen ab Bremerhaven, das durch seine Rolle für die amerikanischen Streitkräfte große Bedeutung erlangt hatte.
Zu den ersten Schiffsbestellungen der HAPAG nach dem Krieg gehörten 9000 BRT große Kombischiffe, die Platz für 85 Passagiere in der 1. Klasse boten und im Ostasiendienst eingesetzt werden sollten. Diesen Dienst baute man gemeinsam mit dem Norddeutschen Lloyd wieder auf. 1955 nahm der Norddeutsche Lloyd mit seiner Berlin den transatlantischen Passagierdienst wieder auf, doch die HAPAG hielt sich weiter zurück. In den nächsten Jahren wechselten bei der HAPAG Aktienpakete ihre Besitzer, wodurch es zu Veränderungen im Vorstand und im Aufsichtsrat kam. Die Befürworter der Wiederaufnahme eines Passagierdienstes mussten sich gegen die Befürworter der Frachtschifffahrt behaupten, und es war auch klar, dass ohne Bundeshilfen nichts gehen würde. 1958 sollte ein Gespräch mit dem Bundesfinanzminister über Staatshilfen stattfinden, doch die HAPAG wurde wieder ausgeladen – aktuell hatte der Norddeutsche Lloyd die besseren Karten bei der Förderung der Passagierschifffahrt durch die Bundesregierung. In dieser Zeit übernahm der Bremerhavener Reeder Behrend Schuchmann den Vorstandsvorsitz bei der HAPAG, doch er verprellte es sich mit dem Aufsichtsrat und legte im September 1958 sein Amt nieder. Außerdem verkaufte er alle seine HAPAG-Aktien an die Deutsche Bank.
1967 vermeldete der Norddeutsche Lloyd erstmals ein negatives Geschäftsergebnis auf dem Nordatlantik; die Luftfahrt hatte den Passagierschiffen das Wasser abgegraben. Deswegen entschied sich auch der Norddeutsche Lloyd, in der Passagierschifffahrt auf Kreuzfahrten zu setzen. In der Frachtschifffahrt begann der Container seinen Siegeszug, und die HAPAG hatte ein großes Neubauprogramm aufgelegt. Und so kam es letztendlich so, wie es sich schon seit längerem abgezeichnet hatte: Im Juli 1970 stimmten die Gremien der HAPAG und des Norddeutschen Lloyd einer Fusion zu, die am 31. August 1970 rückwirkend zum 1. Januar 1970 vollzogen wurde. Es entstand die Hapag-Lloyd Aktiengesellschaft, die seitdem ihre ganz eigene Geschichte entwickelt hat.
[1] Es hält sich hartnäckig die Auffassung, dass Kaiser Wilhelm II den Wunsch geäußert hat, dass ein so mächtiges Schiff wie der Dampfer Imperator mit einem männlichen Artikel versehen werden sollte – also „der Imperator“. – In der deutschen Grammatik sind alle Schiffe weiblich, also „die“. Davon abgesehen sollte der letzte deutsche Kaiser, der 1918 abgedankt hat, im 21. Jahrhundert in einem auf dem Grundgesetz fußenden Deutschland keine Weisungsbefugnis mehr haben. Von daher heißt es in diesem Beitrag „die Imperator“.
[2] Siehe zu der Wirtschaftlichkeit auch den Beitrag von Mark Chirnside zu den Big Four der White Star Line im Navigator Nr. 77
[3] Zahlen nach Kludas (ohne Jahr), Buch IV, S. 17
[4] Kludas, Buch IV, S. 14
[5] Die Europa war Thema im Navigator Nr. 3, 2. Jahrgang (Dezember 1998) und die Bremen war Thema im Navigator Nr. 4, 2. Jahrgang (März 1999).
[6] Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiters/Angestellten 1932 betrug 1.650 Reichsmark(Quelle: http://forum.ahnenforschung.net/archive/index.php/t-40065.html)
[7] Kludas (ohne Jahr), Band V, S. 73
[8] vgl. „Die schicksalhafte Fahrt der MS St. Louis“ in Navigator Nr. 1, 12. Jahrgang (Mai 2008)
[9] Die Wilhelm Gustloff wurde von der Reederei Hamburg Süd bereedert.
[10] Die „Heimfahrt der Bremen“ war Thema im Navigator Nr. 3, 9. Jahrgang (Februar 2006) und Nr. 2, 10. Jahrgang (August 2006).
[11] Die Bremen war im März 1941 bereits durch ein Feuer vernichtet worden, und die Columbus (1924) hatte sich im Dezember 1939 selbst versenkt.
Quellen:
Kludas, Arnold (ohne Jahr), Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt 1850 – 1990. Das große Standardwerk erstmals in einem Band, ohne Ort, ohne Verlag.
Kludas, Arnold (2008), Die Geschichte der Hapag-Schiffe. Band 2: 1901 – 1914, Bremen: Hauschild
Der Navigator Ausgabe 72, Im Schatten der Titanic. Die Geschichte der Britannic (II) aus einer anderen Perspektive, Dezember 2015, S. 32 ff